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Im Bilderbergland

Jürgen Trittin will bei den Großen mitspielen. Von Werner Heine

Kurt Tucholsky ist es zu verdanken, daß wir den kompetenten Beobachter von Politik kennen: Klein-Moritz. So wie der sich die Politik vorstellt, genau so ist sie. Ob das aber auch wirklich so ist, das wollte neulich Klein-Jürgen herausfinden, und deshalb ließ er sich von einem »Zeit«-Redakteur zur diesjährigen Bilderberg-Konferenz ins verträumte Chantilly im US-Bundesstaat Virginia einladen. Diese Konferenz, das weiß jeder, das wußte natürlich auch Klein-Jürgen, ist die alljährlich größte, geheimste und verschwiegenste Zusammenballung von wirtschaftlicher, militärischer und politischer Macht diesseits des Ural. Auf diesen Treffen an landschaftlich reizvollen Orten, bei denen sich seit 1954 stets rund 120 Personen, überwiegend weiß, überwiegend männlich, überwiegend aus Nato-Ländern, zu strikt vertraulichen Gesprächen über Ja-wenn-man-das-wüßte versammeln, werden, aber das weiß doch jeder, geostrategische Allianzen geschmiedet, Kriege verabredet und beendet, Regierungen konzipiert und gestürzt und gute Rotweine getrunken. Warum also nicht hingehen, wenn man dort endlich mal seinen grünen Standpunkt vertreten darf, fragte sich Klein-Jürgen und erzählte prompt seinen Mitkonferierenden von der Notwendigkeit eines europäischen Schuldentilgungsfonds und von Wachstum in Europa, warb »selbstverständlich für eine Steuer auf Finanzgeschäfte und für eine Vermögensabgabe« und registrierte dabei »keineswegs nur Ablehnung«.

Alles bestens also, wäre da nicht jener lästige Teil der Partei, der seinem Fraktionsvorsitzenden den Besuch bei der sich verschwörerisch gebenden Runde übelnahm, war die Konferenz doch schon durch ihren Gründervater Prinz Bernhard der Niederlande in Verruf gekommen. Der hatte seine Karriere schließlich mit Mitgliedschaften in NSDAP und SS begonnen und nach dem Krieg mit Bestechungsaffären (Starfighter-Beschaffung, WWF-Spenden) und der Unterstützung der Rassisten in Südafrika fortgesetzt. Auch ist die rund 2.500 Namen umfassende Teilnehmerliste aus sechs Jahrzehnten nicht frei von zweifelhaften Figuren aus Kaltem Krieg und neueren Konflikten wie Irak und Afghanistan. Alle Sicherheitsberater aller US-Präsidenten und auch deren Chefs, alle Thatchers, Kohls und Schröders, alle Zetsches, Löschers und Ackermänner haben teilgenommen, und Kissinger gleich sieben Mal. Aber Jürgen Trittin wies seine Kritiker auf Facebook und Twitter souverän zurück: »Grüne Überzeugungen müssen gerade auch dort plaziert werden, wo sie noch nicht aktiv vertreten werden.« Also auch dort, wo, so Klein-Jürgen, »bekanntlich nichts Geringeres als die große Weltverschwörung ausgeheckt wird«.

Aber just da kam dem Trittin leider der Parteifreund Giegold zu Hilfe, polemisierte gegen »Kontaktverbote« und plädierte für die Annahme aller Einladungen, »solange sie nicht von Massenmördern, Kriegsverbrechern, Rechtsextremen oder Antisemiten« kämen. 

Eben, Klein-Jürgen.

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