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Klappe!

»Wahrscheinlich« – dieses Wort prägt die öffentliche Diskussion um die Abschaffung oder Beibehaltung der Babyklappen. Wie wahrscheinlich ist es, daß durch Babyklappen und die Angebote der anonymen Abgabe Tötungen von Neugeborenen verhindert werden? Für ziemlich wahrscheinlich hielten das die freien und kirchlichen Träger, die solche Angebote seit 1999 eingerichtet haben. Sie hielten es sogar für so wahrscheinlich, daß sie in Kauf nahmen, Gesetze wie das Familienrecht und das Personenstandsrecht zu verletzen.

Für ziemlich unwahrscheinlich hielt es dagegen der Ethikrat in seiner Stellungnahme 2009. Er empfahl, Babyklappen abzuschaffen und die anderen Einrichtungen so umzuwandeln, daß die Frauen ihre persönlichen Daten angeben müßten, die dann »vertraulich« behandelt würden. Diese Angaben sollten später an das Kind weitergegeben werden, nicht aber an die zuständigen Stellen – was den erwähnten Gesetzen übrigens auch zuwiderliefe. Die Studie Anonyme Geburt und Babyklappen in Deutschland des deutschen Jugendinstituts von 2011 wartet sogar mit dem Ergebnis auf, daß »die ursprünglich avisierten Zielgruppen der Angebote anonymer Kindesabgabe nicht erreicht werden«. Befragt wurden zwar nur Frauen, die anonym geboren haben. Über die anderen läßt sich schlicht nichts Konkretes sagen. Dennoch darf hier das »wahrscheinlich« großzügig wegfallen – keine der Frauen hatte schließlich gesagt, sie hätte ihr Kind sonst getötet.

Ein weiteres ergiebiges Feld für Mutmaßungen stellt die Befindlichkeit der abgegebenen Kinder dar. Der Ethikrat findet es sehr wahrscheinlich, daß diese schwer traumatisiert würden, da ihnen ihr Recht »auf Kenntnis ihrer Abstammung« verwehrt würde. Daß den armen Kleinen gar nicht geholfen sei, ist auch eins der Hauptargumente der schon erwähnten Studie. Sie bescherte dem Boulevard sogar so skandalöse Überschriften wie »200 Kinder verschwunden« (»Focus«). Doch die Kinder sind selbstredend nicht »verschwunden« – wo sollten sie auch abgeblieben sein? Aufgegessen, verkauft, eingefroren? Wohl kaum, die Träger konnten oder wollten in diesen Fällen lediglich keine Angaben über den weiteren Verbleib der Kinder machen.

Traumatisiert sind den Spekulationen der Forscher zufolge auch die Frauen: Schuldgefühle, Depressionen, psychosomatische Sterilität – dem Horrorkatalog wäre noch die Gefahr des Lesbischwerdens hinzuzufügen, damit er klingt wie die Folgen, die »Lebensschützer« bei Abtreibungen prophezeien. Wenn also scheinbar keine Kinder gerettet werden und die sonstigen Folgen für alle Betroffenen derart negativ zu sein scheinen, können biologische Herkunft, Mutterschaft und Heilige Familie fröhliche Urstände feiern. Und die emanzipierte Kristina Schröder gießt das dann in Gesetzesform – na danke!

– Kirsten Achtelik –

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