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von Peter Kusenberg

Eiserne Kreuze und wehende Reichskriegsflaggen, deppert dreinblickende Adler und Headlines in Wirtshausfraktur: In der vordigitalen Zeit erkannte auch der beschränkte Zeitgenosse Naziflyer und Faschoplakate mit unbewaffnetem Auge. Im Internet-Zeitalter ist zumindest das technische Repertoire der braunen Bande reichhaltiger, es braucht weder Hirn noch Weltwissen, um ein geklautes JPG auf die eigene Website zu stellen und ein Ku-Klux-Klan-Video zu verlinken. Immerhin bemüht sich der gemeine Nazi-Webmaster um Internet-Konventionen. Ein Großteil der nationalen Denk-und-Fühl-Widerstandsgruppen schwört auf die Heilige Dreieinigkeit aus Facebook, Google Plus und Twitter, meist gelangt man über die Hauptseite ins Wordpress-Forum, und wer nicht ganz bei Trost ist, der kann dem jeweiligen Verbrecherverein Geld via Paypal aufs Konto schieben. Trotz der rechten Imitation des üblichen Online-Verkehrs aber genügt ein oberflächlicher Blick, um den Nazi-Gehalt zu entdecken – und das liegt nicht allein an WOT, dem »Web of Trust«-Add-on für den Firefox-Browser, das vor Webseiten aller Ekelcouleurs warnt.

Bei der Analyse der 50 beliebtesten Nazi-Websites (topliste.widerstand.info) lassen sich zwei Arten von Nazi-Websites identifizieren: die gutbürgerlichen und die stumpfen Seiten. Das »Infoportal Dortmund« wirkt mit seinen geklauten Comicfiguren, Fotos von Demonstranten und News-Meldungen wie die Website des vielgelesenen Portals Politically Incorrect (PI), das sich die Befreiung des Abendlandes von der Kopftuchmädchenokkupation auf die schwarzbraunen Fahnen geschrieben hat. Das Logo der Dortmunder Nazi-Site besteht aus der bei Nazi-Autonomen beliebten schwarzen Flagge, die sich hinter einem Zahnrad verbirgt, während ein Werbebanner mit einem Wasserträger vor aufgehender japanischer Sonne für den »Tag der Deutschen Zukunft« wirbt. Die Nationalen Sozialisten Rostock setzen auf naturalistische Porträts stilisierter Arbeiter, bunte Fähnchen und die üblichen Symbol-Links zu Twitter, Youtube und Facebook. Die Kehrusker, rechte Spezies aus dem Teutoburger Wald, erlauben es ihren Besuchern, die Kraut-und-Rüben-Seite via Google-Übersetzer ins Chinesische, Russische und Hebräische zu übertragen, während die Autonomen Nationalisten Wetzlar wehende Fahnen, vermummte Rüben und den jungen Liedermacher Horst Wessel im Halbprofil präsentieren. Auf der Homepage der NPD Unna erfreut sich das Naziherz an Bildern von Reichstag und Fahnen, während der Retro-Internetter über die Blink- und Laufschriften jubiliert: So schön war’s dunnemals!

Zur Sorte der rohen Schläger-Websites zählt der Nordsachsen-Versand, der die häßlichsten T-Shirts westlich der Memel vertickt – und in dieser Hinsicht beinahe von den Textilien des Odin-Versands übertroffen wird: Hier posieren dumm dreinschauende junge Männer in weißen Kapuzenpullis mit dem Konterfei Ernst Rommels. Die Aryan Blood Productions bündeln die gesamte rechte Online-Design-Palette: Zahnrad, Fähnchen und Adler. Nur die Schuldenuhr fehlt hier, die gibt’s bei den Freien Kräften Königs Wusterhausen – und bei der FDP.

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