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von konkret

Emmentaler Faschist, die zweite

Roger Köppel, Verleger der Schweizer »Weltwoche« und Lautsprecher des Volksparteiführers Christoph Blocher, ist im März 2010 an dieser Stelle ein Emmentaler Faschist genannt worden. Er hat daraufhin von Verlag und Herausgeber eine Erklärung verlangt, diese Etikettierung bei Ordnungsgeld bis zu 250.000 Euro, ersatzweise Haft, zu unterlassen, und, als er die Erklärung nicht bekam, Klage vor dem Kölner Landgericht erhoben, das ihn bloß deshalb nicht glatt abwies, sondern ihn die Hälfte der Verfahrenskosten zahlen ließ, weil er mit dem Tucholsky-Wort in räumliche und damit dem flüchtigen Leser mißverständliche Nähe zu den Wörtern Nationalsozialismus und Antisemitismus gerückt worden sei.

KONKRET hat die Einwilligung in den Vorschlag des Gerichts ausdrücklich an die Bedingung geknüpft, Köppel, wenn nötig, in einem Kontext, der diese Nähe nicht aufweist, erneut nennen zu können, was er nicht genannt werden wollte, ohne damit gegen eine Verpflichtung zur Unterlassung zu verstoßen und eine Vertragsstrafe zu riskieren. Als nun vor einigen Wochen die »Weltwoche« mit nebenstehendem Titelbild erschien, das in Wahrheit keinen bewaffneten Roma-Jungen im Land des Emmentalers zeigt, sondern ein Kind mit einer Spielzeugpistole auf einer Müllhalde im Kosovo, was Köppel damit rechtfertigt, daß es als »Symbol« zu verstehen sei, lag der Gedanke nahe, ihn noch einmal mit dem Wort zu belegen, das eine andere Art von Symbol ist. Doch darauf, entschied die Redaktion, wird verzichtet: Die jüngste Tat dieses Köppels wäre mehr als inkommensurabel.

Karl-Kraus-Preis

1986 hat Gremliza einen Karl-Kraus-Preis gestiftet und in öffentlicher Rede zur Verleihung begründet:

Getreu der Auffassung des Namensgebers, daß Preise, die der Aufmunterung dienen, »auf sämtlichen Gebieten der Kunst schon so viel Unheil angerichtet haben, während Abschreckungspreise, geknüpft an die Bedingung, nichts dergleichen mehr zu tun, sondern einen nützlichen Beruf zu ergreifen, ein wahrer Segen wären«, sollte der Preisträger bei der öffentlichen Verleihung verpflichtet werden, künftig von der Veröffentlichung eigener Schriften Abstand zu nehmen und die mit der ausgelobten Summe von 30.000 Mark eröffnete Chance zu nutzen, den vom Namensgeber gewiesenen Weg einzuschlagen.

Den Karl-Kraus-Preis bekamen F. J. Raddatz (1986) und, für seinen Sozialkitsch, Günter Wallraff (1987), 1988 folgte eine »Preisausrede«, 1989 der begründete Verzicht auf die Ehrung. 23 Jahre später erscheint eine Pressemitteilung:

Den Karl-Kraus-Preis 2012 erhält Peter Sloterdijk. Verliehen wird er von der Redaktion des Infoblogs www.hugendubel-verdi.de. Die gewerkschaftlich organisierten Buchhändlerinnen und Buchhändler würdigen damit Werk und Wirken des Philosophen, Kulturwissenschaftlers, Essayisten und Fernsehmoderators Peter Sloterdijk. Die Verleihung des (undotierten) Karl-Kraus-Preises findet am 28. April 2012, dem 138. Geburtstag des Sprach- und Zeitkritikers, im DGB-Haus/verdi-Fachbereich Buchhandel in München statt. Die gewerkschaftlich organisierten BuchhändlerInnen knüpfen damit an eine Preistradition an, die der Publizist und KONKRET-Herausgeber Hermann L. Gremliza in den achtziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts initiiert hatte.

Der Karl-Kraus-Preis unterscheidet sich in einem Punkt von allen anderen in Deutschland verliehenen Auszeichnungen:  Mit der Annahme des Karl-Kraus-Preises verpflichtet sich der Preisträger, nie wieder eine Zeile zu schreiben. Auszug aus der Begründung der Redaktion: Mit seinem Vorschlag, Steuern durch eine freiwillige Gabe zu ersetzen, hat Sloterdijk einen Angriff auf die Grundfesten unseres Sozialstaates unternommen und eine Geisteshaltung offenbart, die eher dem Denken der herrschenden Klasse einer antiken Sklavenhaltergesellschaft entspricht als dem Grundkonsens einer demokratischen Gesellschaft im 21. Jahrhundert. Bei seinem Aufruf zum »Steuerstreik« übersieht Sloterdijk …

Kann man es besser meinen? Schlimmer machen kann man es nicht. Den von Gremliza in zwei Sonderdrucken von jeweils zwanzig Seiten begründeten Gedanken herunterbringen auf den Vorwurf, einer entspreche nicht irgendeinem »Grundkonsens«, und dann noch in einer Begleitpost meinen, der ungefragte Begründer des Preises müsse sich seiner geistigen Enteignung durch solche Nachfolge freuen – im Blog von Verdi ist großer Jubel:

Die Verleihung des Karl-Kraus-Preises 2012 an Peter Sloterdijk war eine der erfolgreichsten Aktionen der Infoblog-Redaktion. Die »Süddeutsche« brachte unsere Pressemitteilung unter dem Titel »Heruntergekommen«. Am wichtigsten waren aber die zahlreichen Blogger und Twitter-User, die unsere Aktion kommentiert und weiterverbreitet haben. Nennt es Social Media – wir nennen es Gegenöffentlichkeit!

Des Künstlers Erfolg ist Mißverständnis (KONKRET 3/05). Was über Sloterdijk in einer Preisrede zu sagen gewesen wäre, steht in Gremlizas Express 7/07.

 (Anti-)Kapitalismus

»Brand eins«, ein »Wirtschaftsmagazin«, schreibt in seiner Titelgeschichte »Schwerpunkt Kapitalismus – Wenn schon, denn schon« unter der Kapitelüberschrift »Antikapitalismus«:

So wenig, wie es einen Kapitalismus gibt, gibt es einen Antikapitalismus. Am besten läßt man darüber wieder einen ausgewiesenen Systemgegner reden, den Hamburger Publizisten und KONKRET-Verleger Hermann Ludwig Gremliza, der weiß, daß »Antikapitalismus pur« zu den »seltsamsten Ausformungen führen« kann, nämlich »auf der nationalen Seite zu völkischem Antikapitalismus, Nationalbolschewismus und Ähnlichem, auf der Linken zu Proletkult«.

Wie kommt Kuhscheiße aufs Dach, wie Gremliza in den News-to-go-Shop des hippen Betriebswirts? Der Journalist hat, wie man das so macht, bei Wikipedia die Seite »Antikapitalismus« aufgerufen, auf die das Zitat, der Wirtschaftsweise mag wissen wie, geraten ist. Daß der Journalist selber in den Texte-Band zum KONKRET-Kongreß »Was tun?« (1993) geguckt hat, aus dem es stammt, ist auszuschließen. Erstens ist der seit langem vergriffen, und zweitens hätte er dort besseres Material zum Thema gefunden.   

Veranstaltungen

Am 24. Juni um 20 Uhr findet der KONKRET-Krisengipfel IV zum Thema »Wer braucht die Piraten?« mit Thomas Ebermann, Kersten Artus (Die Linke) und Anne Alter (Piratenpartei Hamburg, angefragt) im Golem, Große Elbstraße 14, Hamburg statt.

KONKRET ist mit einem Stand bei den Linken Buchtagen vom 15. bis 17. Juni in Berlin, Mehringhof in der Gneisenaustraße 2a, vertreten.

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