05.07.2012 15:32
Mit 76 Jahren und demnächst 42 Spielfilmen im Gepäck hat Woody Allen es sehr verdient, Gegenstand eines Stücks zu werden, das so tut, als sei es eine Dokumentation, in Wirklichkeit jedoch eine Huldigung ist. Allen hat alles Recht
der Welt, stolz auf sich zu sein. Statt dessen sagt er so was: »Der einzige, der zwischen mir und dem Genie steht, bin ich selbst.« Und es scheint, als könnte er ganz schön sauer werden, widerspräche ihm jemand.
Robert Weide durfte Allen anderthalb Jahre lang mit der Kamera begleiten und ihm dabei erstaunlich nah auf den Leib rücken – vielleicht weil Weide gar nicht daran dachte, dem Hauptdarsteller zu widersprechen. Wozu auch? Niemand macht Allen besser zur Schnecke als Allen: »Ich habe nicht die Konzentration und Hingabe, um ein großer Künstler zu sein.« Für Spielfilme wie »Match Point« und »Deconstructing Harry« immerhin hat es gereicht, und wenn hier keine Kunstwerke vorliegen, dann auf jeden Fall Muster an Eleganz, Witz und Tempo. Vermutlich wäre Woody Allen am liebsten ein amerikanischer Ingmar Bergman geworden, aber daß seine besten Stücke vor allem an Ernst Lubitsch erinnern, ist ja auch was wert und fürs Publikum ein Segen. »Ich bin gezwungen«, sagt Allen, »alles aus der Perspektive eines Clowns zu sehen.« Man könnte ihn fast dafür bemitleiden, wäre er nicht so ein rasend komischer Clown.
Weide beobachtet Allen an den Stätten seiner Kindheit, zeigt ihn beim Einhacken auf seine uralte Olympia-Reiseschreibmaschine (»solide wie ein deutscher Panzer«), bei der entspannten Arbeit am Set und läßt eine Heerschar von Freunden und Mitarbeitern zu Wort kommen. An Klugheit und Kurzweil steht diese Hommage einem durchschnittlichen Allen-Film kaum nach. Gelegentlich opfert die Montage zwar der Pointe die Chronologie, doch Weide kriegt rasch wieder die Kurve. Die Nacherzählung des monströsen Skandals, der zu Allens Scheidung von Mia Farrow führte, gelingt Weide vorbildlich diskret. Dennoch sieht der Held dabei nicht eben gut und die nervigste seiner Musen plötzlich so sympathisch aus wie seit »Purple Rose of Cairo« nicht mehr. Man kann den Allen-Fan Weide nur dafür loben, daß er bei aller Verehrung dem, was stinkt, nicht ausweicht.
– Kay Sokolowsky
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