02.08.2012 12:07
Jafaar hat, wie soll man sagen: Schwein gehabt. Der dorftrottelige Fischer der international bekannten palästinensischen Gemeinde Gaza zieht nichts aus dem Teich, was seine Kollegen nicht dreimal besser fangen. Nur bei verwaisten Sandalen liegt er vorne – was auch daran liegt, daß die anderen die Einzelstücke umgehend zurück ins Meer werfen.
Nun aber ist etwas völlig anderes ins Netz gegangen: ein kapitaler Eber aus Vietnam. Unsauber in fast allen Weltreligionen, auf jeden Fall in denen vor Ort: Weder Juden noch Moslems packen das Tier auch nur an. Der zuvorkommende, der Hamas nahestehende Barbier leiht Jafaar seine AK 47, auf daß er dem Viech den Garaus mache. Das läßt sich aber nicht umsetzen, schon ein Blutspritzer auf dem Kaftan würde die Hölle heraufbeschwören – dem Tier ergeht es besser als manchem Menschen.
Was man nicht umbringen kann, mit dem soll man handeln, lautet die orientalische Weisheit von Drehbuchs Gnaden. Und so kommt der arme Seemann auf die Idee, mit der israelischen Nachbarschaft Geschäfte zu machen, wo das Tier ebenso unbeliebt ist, aber es gibt ja noch die russischen Einwanderer. Die kennen sich mit solchen Fällen aus: Das Schwein bekommt Schuhe. Dann kann es den heiligen Boden nicht berühren. Außerdem lieben es die Russen, aus einem Schwein mehrere zu machen. So betreibt Jafaar alsbald einen schwunghaften Spermahandel, was zu allerlei Verwicklungen führt. Denn natürlich will der Polizist mal von der »Arznei für alte Männer«, als die Jafaar den Stoff ausgibt, probieren.
Sylvain Estibal teilt in dieser unfaßbaren Komödie die Härten der Region en passant mit. Den Leuten geht es nicht gut, aber das hält sie kaum davon ab, als aufrechte Witzfiguren durchzugehen. Unter dem Druck der Verhältnisse tun sich gänzlich neue Koalitionen auf: Schwein und Mensch arbeiten Hand in Pfote, israelische Soldaten heulen mit arabischen Hausfrauen bei brasilianischen Soaps um die Wette, Selbstmordattentate sind eine Sportart, getanzt wird ohne Beine.
Auf Anfrage teilt der Verleih mit: Das Schwein habe kein Eber gespielt, sondern eine Sie – mit Namen Charlotte. Das gibt dem Kinowunderwerk, das daherkommt, als hätte Woody Allen seinen ersten Nahostfilm gedreht, noch mal eine ganz besondere, transidentische Rolle.
– Jürgen Kiontke –
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