16.08.2012 16:51
Ein britischer Geschäftsmann beschließt in Wien, nicht die Dienste eines slowakischen Callgirls in Anspruch zu nehmen, das dafür mit einem Moritz-Bleibtreu-Koitus bestraft wird. Der Geschäftsmann kehrt heim zu seiner Frau, die gerade von einem Rendezvous mit ihrem Lover heimgekehrt ist, dessen brasilianische Freundin Laura die Untreue leid ist und heim zu fliegen beabsichtigt, doch wegen widriger Umstände in Denver landet, wo Anthony Hopkins väterliche Ratschläge erteilt und ein derangiert wirkender Ben Foster Begehren in Laura weckt, was ihm nicht behagt, ist er doch ein Sexualstraftäter auf Freigang. Mit von der Partie sind ein schmieriger Österreicher, ein fieser russischer Mafioso und dessen netter Chauffeur, der die Schwester des Callgirls kennenlernt, während seine unglückliche Gattin ihren muslimischen Chef sympathisch findet.
Mindestens während der ersten 45 Filmminuten folgt der Zuschauer mit Vergnügen diesem Treiben, das fünf Orte und zehn Menschen lässig miteinander verbindet. Als Vorlage dient Arthur Schnitzlers Theaterstück Der Reigen, das vom seriellen Geschlechtsverkehr mit wechselnden Partnern handelt. Dort lösen sich fünf Frauen und fünf Männer verschiedener sozialer Klassen paarweise ab beim gemeinsamen Sex, mit jedem Dialog wird der Partner getauscht. Das Stück veranschaulicht die Wirkung des Sexus auf Gemüt und Verhalten und eignet sich hervorragend für die Leinwand, wobei die Adaptionen von Roger Vadim und Max Ophüls den gleichermaßen frivolen und melancholischen Charakter des Themas betonen. Das Werk des brasilianischen Regisseurs Fernando Meirelles übernimmt vorrangig die 360-Grad-Struktur des Reigens und macht den Sexus zum Nebenthema. Die wenigsten Figuren haben Sex, vielmehr nehmen sie mal leichtgängig, mal schwerfällig Kontakt zum Mitmenschen auf und reden übers Autofahren und Literatur. Meirelles pustet seine Klischees auf, macht das Callgirl zur Dame mit Herz, den Zuhälter zum Schmierlappen, den Muslim zum Entscheider zwischen Gott und Teufel, und Hopkins ist eine nette alte Vaterfigur. Trotzdem funktionieren nicht alle Paarungen: Welche kluge und leidlich geschmackvolle Frau schwärmt für einen Vergewaltigertypen wie Ben Foster?
Das Resümee der Figuren ist banal: »Man lebt nur einmal«, sagt der russische Chauffeur. Meirelles hätte besser den Reigen studiert, in dem der Graf fragt: »Saagen S’ Fräulein, haben Sie die Menschen eigentlich gern?«, und die Schauspielerin antwortet: »Gern – ?? Ich hasse sie!«
– Peter Kusenberg –
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