01.11.2012 10:47
Regie: Helena Norberg-Hodge, Steven Gorelick, John Page; mit Jan Barham, Ronald Colman, Eliana Amparo Apaza Espillico; USA 2011 (BraveHearts International); 67 Minuten; ab 11. November im Kino
Ein Filmtitel, der Ökonomie und Glück so nahe aneinanderstellt, daß sie nur ein Artikel trennt, sollte wohl Warnung genug sein, nicht seiner bebilderten und vertonten Ausbuchstabierung im Kinosaal beizuwohnen. Ist doch das „Reich der Notwendigkeit“ so weit von individueller Erfüllung geschieden, daß sie nur eine vernünftige Gesellschaft vermitteln könnte.
Wer diese Warnung ignoriert, dem zeigt die Dokumentation „Die Ökonomie des Glücks“ einen einfachen Kontrast: schlechte globale - gute lokale Wirtschaft. Helena Norberg-Hodge, Regisseurin, Produzentin und Protagonistin des Films in Personalunion und Trägerin des alternativen Nobelpreises, drapiert sich hierfür wahlweise vor McDonald‘s-Restaurants im Bahnhofsmilieu oder Bioobststände eines Wochenmarkts, wo sie dann über den Zustand der Gesellschaft sinniert. Die Globalisierung habe nicht nur ökonomische und ökologische Krisen ausgelöst, sondern auch zu einer Krise des Geistes geführt. Großkonzerne und Börsen, Bohrinseln und Fernstraßen, Hochhäuser und Müllkippen und zwischen all dem, der entwurzelte, unglückliche Mensch. Zu den drastischen Bildern des Films gesellen sich interviewte Experten und Aktivisten, die mit "Wahrheiten über die Globalisierung" aufwarten.
Daß ebendiese nichts von der Kritik der politischen Ökonomie verstehen, die Voraussetzung für ein Glück wäre, das um seine gesellschaftlichen Bedingungen weiß, offenbart sich in dem Gerede von der entfesselten Wirtschaft. Finanzinstitute und Großkonzerne forcieren die Globalisierung, "in der der Spekulant der König ist und reale Menschen und lokale Gemeinschaften zu Fußnoten verkommen", wie der Ökonom Andrew Simms zu berichten weiß. Die Globalisierung erscheint hier schlicht als dekadente Entfremdung von einem natürlichen Leben. Wo der Geist vor dem Gegenstand kapituliert und Sachzwang wie globale Dynamik des Kapitals unbegriffen bleiben, verkümmert Kritik zu Skandalisierung, die die Filmemacher nicht anders darzustellen wissen als mit traurigen Kinderaugen.
Weil sich Ideologie am besten in einer simplen Dichotomie denken läßt, halten die Filmemacher der schlechten globalen Wirtschaftsweise sodann gute lokale Wirtschaftsweisen entgegen. Nach Norberg-Hodge seien diese nicht nur effizienter, sondern auch der Ursprung des menschlichen Glücks und würden den Entwurzelten damit eine paradiesische Zuflucht anbieten. Nun reihen sich Bilder von Feldarbeit, Kulturfesten und lachenden Menschen aneinander. Diese regressive Wunschwelt, die eine vermeintlich ursprüngliche und sich mit der Natur im Einklang befindende Gesellschaft herbeisehnt, schlägt stellenweise in blanke Absurdität um. Wenn die „Experten“ für lokale Wirtschaftsformen plädieren, weil in ihnen Menschen statt Maschinen die Arbeit verrichten würden und somit Arbeitsplätze gesichert werden könnten, leuchten fröhliche Kinderaugen.
Bestenfalls läßt sich dem Film an den Stellen etwas abgewinnen, an denen er unfreiwillig komisch wird. Etwa, wenn eine einfühlsame Stimme appelliert, den an Identitätsverlust leidenden Jugendlichen ihre Stellung in der Gesellschaft aufzuzeigen, und hierzu Bilder von Kindern zu sehen sind, die stumpfsinnig Geröll in eine Schubkarre schaufeln. Abgesehen davon muß man über eine Stunde lang eine spirituelle Moralpredigt mit dokumentarischem Anstrich über sich ergehen lassen.
Die Ökonomie des Glücks besteht hier darin, das Geld für die Kinokarte zu sparen.
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