02.05.2013 12:15
Frohes Schaffen
Regie: Konstantin Faigle; Deutschland 2012 (W-Film); 98 Minuten; ab 2. Mai im Kino
Schon der Einstieg mutet für eine Dokumentation ungewöhnlich an: Ein Mann fliegt mit ausgestreckten Armen über eine Stadt, der Off-Kommentar preist den Menschen als Krone der Schöpfung, befreit von Irrglauben und geistigen Zwängen. Der fliegende Superman entpuppt sich als bis zum Burn-Out überarbeiteter Ingenieur. Er ist eine von sechs fiktiven Figuren, die in ihren alltäglichen Sorgen rund um das Thema Arbeit immer mal wieder in Spielszenen auftauchen.
Ein wesentlich positiveres Bild der Arbeit vermitteln die Personen, die Regisseur Konstantin Faigle zu Beginn des Films auf der Straße interviewt. Arbeit beschreiben sie als wichtigen Teil des Lebens, sie diene der Selbstverwirklichung und dem sozialen Miteinander. Eindrucksvoll verdeutlicht der Filmemacher so den Stellenwert, den Arbeit in unserer Gesellschaft einnimmt. Die Erwerbstätigkeit gleicht einer Religion, die Orientierung und Sinnhaftigkeit vorgaukelt.
Welche abstrusen Ausmaße der Glaube an den Mythos Arbeit einnehmen kann, demonstriert Faigle, und darin besteht die Stärke des Films, beispielsweise durch den Besuch einer Fortbildungsmaßnahme für Arbeitslose. In einem Übungssupermarkt müssen erwachsene Menschen das Einkaufen trainieren. Anschließend bringen sie die gekauften Güter in ihren Körben wieder ins Lager, um sie von dort erneut in die Regale einzuräumen. Worin der genaue Sinn dieses 40-Stunden-Jobs mit Nachtschichten und Wochenendarbeit besteht, können weder die Teilnehmer noch die sogenannte Projektleiterin so richtig beantworten.
„Frohes Schaffen“ ist ein wildes Durcheinander filmischer Mittel und Formen: Statements von Theoretikern wie Nobert Trenkle, Jeremy Rifkin, Benjamin Hunnicutt und Susan Blackmore, die die Arbeitsideologie, das Märchen der leistungsgerechten Vergütung oder die Heilstheorie des Marktes, kritisieren, Interviews, Spielszenen, Bilder von Demonstrationen und Aktionen etwa für das Bedingungslose Grundeinkommen. Vor allem die Spielszenen wirken deplaziert. Als Veranschaulichung der negativen Auswirkungen der Arbeitswelt gedacht, aber auch schauspielerisch an drittklassige Soaps erinnernd, nehmen sie viel Zeit ein, die einer Vertiefung oder zumindest dokumentarischen Veranschaulichung des Arbeitsirrsinns hätte zugute kommen können.
Den Glauben an den Mythos Arbeit entlarven Faigles Gewährsmänner- und -frauen anschaulich als Aberglauben. Hans-Werner Sinn, ein Pfaffe der Arbeitsglaubensgemeinschaft, übt sich dagegen in Hellseherei und verkündet das mindestens tausendjährige Fortbestehen der Arbeit. Dabei hinterlegt Faigle die Aussagen von Verfechtern des Arbeitsmythos platterweise mit Donnergrollen und Blitzen – offenbar hält er seine Zuschauer für so blöd, daß sie Gefahr laufen, der Propaganda der Sklaventreiber aufzusitzen. So macht sich Faigle auf Kosten seines wichtigen Anliegens oft mehr Arbeit als nötig – ähnlich wie die Arbeitslosen im Übungssupermarkt.
Frerk Blome
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