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Den Schuss nicht gehört

26.07.2017 12:12

Die Beweisaufnahme im NSU-Prozess ist abgeschlossen. Nach Ansicht der Bundesanwaltschaft gibt es keine Hinweise auf eine strafrechtliche Verstrickung staatlicher Stellen. Dass das nicht stimmt, zeigt ein Beitrag Friedrich C. Burschels in konkret 5/17.


»Temme lügt«, da ist sich İsmail Yozgat, Vater des am 6. April 2006 in Kassel ermordeten Halit Yozgat, sicher. Wir erinnern uns: Bei der mutmaßlichen Ermordung Halit Yozgats durch die NSU-Killer Mundlos und Böhnhardt war in Yozgats Internetcafé rein zufällig ein Beamter des Hessischen Landesamtes für Verfassungsschutz anwesend: Andreas Temme. Als V-Mann-Führer von Spitzeln aus der nordhessischen Nazi-Szene war er zumindest thematisch nah am Geschehen, behauptet aber hartnäckig, er habe von der Ermordung des 21jährigen Yozgat nichts mitbekommen: Nix gesehen, nix gehört und nix gerochen.

Temmes Darstellung vor den NSU-Untersuchungsausschüssen des Bundestags, des hessischen Landtags und im NSU-Prozess vor dem Oberlandesgericht (OLG) in München, ist nun schwer ins Wanken geraten. Beauftragt von der   Kasseler »Initiative 6. April« hat die   Forschungsgruppe »Forensic Architec- ture« der renommierten Londoner »Goldsmiths University« das Geschehen in dem Internetcafé zur Tatzeit durch Nachbau des Tatorts, Erstellung einer minutiösen »Timeline« aus allen zur Verfügung stehenden Aussagen und durch eine Nachstellung des Geschehens wissenschaftlich untersucht. Die Gruppe kommt zu dem Schluss, dass Temme die beiden Schüsse aus der NSU-Tatwaffe Česká 83 auf jeden Fall gehört haben muss, denn sie sind auch in dem Hinterzimmer, in dem er sich aufhielt, noch über 80 Dezibel laut gewesen. Und das ist laut! Temme muss auch den hinter dem Tresen Sterbenden gesehen haben, als er das Geschäft Sekunden nach dem Anschlag verließ und 50 Cent auf den Tresen legte. Und schließlich ist der Pulverdampf der Todesschüsse deutlich wahrnehmbar gewesen, so stellen die Forscher fest.

Für Temme, dem das Münchner OLG erst vor kurzem aus völlig unerfindlichen Gründen bescheinigt hat, er sei ein glaubwürdiger Zeuge und es gebe keinerlei Anzeichen dafür, dass der »Zeuge Temme und/oder eine Verfassungsschutzbehörde« in die Ermordung Yozgats »in welcher Form auch immer verwickelt sein könnten«, wird es nun eng: Neben den Ergebnissen von »Forensic Architecture« erschüttert auch eine Strafanzeige der Linken-Fraktion im hessischen Landtag die Glaubwürdigkeit des ach so glaubwürdigen Exverfassungsschützers. Temme habe nachweislich vor dem Ausschuss in Wiesbaden   gelogen, als er zum wiederholten Mal   behauptete, er habe von der »ČeskáMordserie« vor dem Mord an Yozgat dienstlich noch nichts gehört. Seine Unterschrift auf einem Umlaufdokument beim hessischen Verfassungsschutz überführe ihn eindeutig der Falschaussage.

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