08.07.2014 14:24
"Auschwitz" ist die kürzeste Antwort auf die Frage, warum man mit Entsetzen und Verzweiflung auf das allgegenwärtige schwarzrotgoldene Fahnenmeer, Auto-Accessoires und Kriegsbemalung zur Fußballweltmeisterschaft reagieren müßte. Jede Form der Vaterlandsliebe ist dumm und gefährlich. Die Grenze zwischen harmlosem nationalem Kitsch und brutaler Ausgrenzung und Unterwerfung des Fremden ist fließend, das eine die Voraussetzung des anderen. Ob französisch, englisch, amerikanisch und zum bitteren Ende sogar israelisch: Nationalismus ist ein Übel. Doch der deutsche spricht eine Warnung aus, deren Bedrohlichkeit sich in einem Wort verdichtet: Auschwitz.
Auschwitz ist eine sehr kurze Antwort, und dennoch verstehen die meisten, was gemeint ist: Auschwitz ist der Grund dafür, daß der ganze schwarzrotgoldene Blödsinn überhaupt Spaß macht. Obwohl sonst auf "Differenzierung" bestanden wird - nicht "die Deutschen", sondern "Deutsche" oder die eigentlich undeutschen Nazis haben Europas Juden vernichtet -, stehen nun plötzlich in Gestalt elf kickender Männer in kurzen Hosen "die Deutschen" oder gar "Deutschland" auf einem brasilianischen Fußballfeld.
Nichts gegen Fußball. Fußball ist ein prima Spiel, das im Rahmen einer Weltmeisterschaft zwar weder das Niveau der Primera División noch gar der Champions League erreicht. Trotzdem: Es gibt Schlimmeres als Genies wie Messi oder Neymar dabei zuzugucken, wie sie aus dem Nichts - das heißt, ohne die Hilfe einer eingespielten Mannschaft - etwas zu zaubern versuchen.
Aber um Fußball, das gestehen selbst die Besucher der Fanmeilen, geht’s nicht. Das zeigt die martialische Sprache, mit der "Bild" fordert: "Zermürben! Wechseln! Siegen!" ebenso wie die Metaphorik des totalen Kriegs, mit der "Bild"-Kolumnist Franz Josef Wagner Verständnis dafür bekundet, daß die algerische Fußballmannschaft "Rache für Gijon" nehmen könnte, wo die deutsche und die österreichsche Mannschaft in perfider Absprache ein Spiel so manipulierten, daß Algerien ausscheiden mußte: "Wenn ein Kind der Wüste solche Geschichten hört, dann greift es zum Dolch. Algerien wird bis zum letzten Mann kämpfen." Was bleibt "den Deutschen" übrig, als in diesem totalen Krieg „Deutschland“ zu „retten“ ("Hamburger Abendblatt")?
- Fritzi Busch -Ins Archiv der konkret-News geht es hier entlang.