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Faschisten gegen Europa

27.01.2014 14:10

Mit Blick auf die Europa-Wahlen im Mai wollen sich mehrere rechtsradikale europäische Parteien zu einem Bündnis zusammenschließen. Auch die Partei Swoboda, die gegenwärtig bei den Protesten in der Ukraine mitmischt, sucht und findet Verbündete bei den europäischen Rechtsparteien. Ein Beitrag von Jörg Kronauer aus KONKRET 1/2014.

Geert Wilders hat schon unpassendere Metaphern bemüht. Als er am 13. November gemeinsam mit der Front National-Chefin Marine Le Pen vor die Presse trat, um zu verkünden, daß er sich künftig am Aufbau eines EU-weiten Rechtsaußenbündnisses beteiligen werde, da schwärmte er von den Erfolgsaussichten, die das habe: Der geplante Zusammenschluß »kann zu einem Erdrutsch in der europäischen Politik führen«, prahlte er. Wilders’ Einschätzung stimmt. Ein Erdrutsch, das muß man jedoch erwähnen, führt meist zu einer größeren Katastrophe. Ist er vorbei, räumt man Schlamm und Geröll beiseite, versorgt die Verletzten und zählt die Leichen.

Der gemeinsame Auftritt von Wilders und Le Pen am 13. November in Den Haag hat europaweites Aufsehen erregt. Die beiden hatten sich getroffen, um über ein Bündnis des FN und der Partij voor de Vrijheid (PVV) für die Europa-Wahlen im Mai zu verhandeln. Letztlich einigten sie sich auf eine engere Kooperation. »Wir müssen unsere Kräfte bündeln und im EU-Parlament einen Block formen«, erklärte Le Pen auf der anschließenden Pressekonferenz. Wilders gab sich mit Banalitäten nicht ab und  startete gleich ein paar Ebenen höher: Seine Zusammenkunft mit Le Pen markiere »einen historischen Tag, weil heute die Befreiung beginnt«, »die Befreiung von einem Monster aus Brüssel«. Läßt man die Phrasen beiseite, muß man gleichwohl einräumen: Da verschieben sich tatsächlich Kräfte auf der Rechten in Europa. Neue Konstellationen zeichnen sich ab, die durchaus zur Entstehung eines schlagkräftigen Rechtsaußenbündnisses führen können.

Geert Wilders ist in den letzten Jahren auf der äußersten Rechten besonders erfolgreich gewesen. Erst Anfang 2006  gegründet, erzielte seine PVV Ende 2006 bereits 5,9 Prozent bei den niederländischen Parlamentswahlen. 2010 steigerte sie sich auf 15,5 Prozent – und durfte fortan eine konservativ-liberale Minderheitsregierung dulden, was ihr Gegenleistungen in Form eines gewissen Einflusses auf die Den Haager Politik einbrachte. 2012 mußte sie – trotz ihrer immer noch 10,1 Prozent bei den vorgezogenen Wahlen – wieder in die Opposition, wo sie bis heute feststeckt. Umfragen sehen Wilders inzwischen jedoch erneut im Aufschwung: Im Sommer galt die PVV mit Zustimmungswerten von über 20 Prozent zeitweise als stärkste niederländische Partei. Bislang hat Wilders seine Erfolge mit einer sehr spezifischen Strategie erzielt. Er konzentriert sich ganz auf die Agitation gegen den Islam und kann damit rassistische Milieus bei Wahlen erfolgreich abschöpfen. Zugleich aber hat er – jedenfalls bis vor kurzem – jede Form einer Zusammenarbeit mit der extremen Rechten strikt zurückgewiesen. Diesem Schachzug verdankt er, daß seine PVV 2010 die Minderheitsregierung tolerieren durfte. Wilders hat vor allem zweierlei Vorkehrungen getroffen, um seine Partei vom Nazi-Ruch freizuhalten. Er nimmt es erstens hin, daß die PVV unter einem gewissen Personalmangel leidet: Wilders ist bis heute das einzige Mitglied seiner Partei, das Führungsdebatten vermeiden hilft, vor allem aber garantiert, daß die PVV nicht von Nazi- Schlägern, Shoah-Leugnern und anderen rufschädigenden Gestalten unterwandert wird. Zweitens hat Wilders stets die Zusammenarbeit mit inhaltlich sehr ähnlichen Parteien wie dem belgischen Vlaams Belang oder der österreichischen FPÖ vermieden, weil mit diesen eine Abgrenzung nach rechtsaußen nicht möglich wäre. Er hat statt dessen versucht, sein eigenes Organisationsnetz in Europa aufzubauen – man erinnere sich nur an seine Unterstützung für die rechtspopulistische deutsche Partei Die Freiheit. Aus den Bemühungen ist letztlich nichts geworden; der Untergang der Freiheit (und ihr Aufgehen in der AfD) ist der jüngste Beleg dafür.

Was tun? Wilders hat im Frühjahr 2013 begonnen, zwecks rascherer Befreiung der Welt seine strategischen Prinzipien über Bord zu werfen. Im April traf er sich erstmals mit Marine Le Pen, um über eine Kooperation für die Europa-Wahlen zu diskutieren. Es sei ein gutes Treffen gewesen, twitterte er anschließend. Ebenfalls im April berichtete die belgische Tageszeitung »De Standaard«, Wilders denke über ein Bündnis mit dem Vlaams Belang nach. Im »Algemeen Dagblad« aus Rotterdam hieß es, das PVV-Alleinmitglied wolle gleich mit »ungefähr zehn Anti-Euro-Parteien« über eine Zusammenarbeit verhandeln. Wilders’ Werben stieß rechtsaußen durchaus auf Sympathie. Als das niederländische »NRC Handelsblad« im September nachbohrte und Marine Le Pen befragte, was denn nun wirklich an den Bündnisgerüchten dran sei, gab sich die FN-Führerin recht offen. »Es ist wichtig, daß der Wähler sieht, daß wir nicht isoliert sind, sondern daß in allen europäischen Ländern ähnliche patriotische Bewegungen aktiv sind«, sagte sie; sicherlich gebe es Differenzen, letztlich aber überwiege das gemeinsame Anliegen.

Neben Wilders’ Prinzipienpreisgabe ist ein Strategiewechsel des Front National die zweite wichtige Voraussetzung für die politische Verschiebung in der europäischen Rechten. Der FN war lange Zeit für Hardcore-Faschisten und wüsteste Antisemiten eine sichere Bank. Weithin bekannt ist die Behauptung von FN-Gründer und -Führer Jean-Marie Le Pen, »die Gaskammern « seien lediglich »ein Detail in der Geschichte des Zweiten Weltkrieges«. Auch Bruno Gollnisch, ein hochrangiges FN-Mitglied, mußte sich einst wegen des Verdachts auf Holocaust- Leugnung vor Gericht verteidigen. Gollnisch machte sich 2011 zunächst Hoffnungen, Jean-Marie Le Pen als FN-Führer beerben zu können, verlor dann aber den Machtkampf gegen dessen Tochter Marine. Diese bemüht sich nun seit ihrer Ernennung zur neuen FN-Vorsitzenden (2011), die krassesten Antisemiten in den Hintergrund zu drängen. Von einer etwas »gemäßigteren« Positionierung erhofft sie sich Chancen, in bislang konservativ wählende Milieus eindringen und damit an Einfluß gewinnen zu können – der Vlaams Belang oder die FPÖ haben’s vorgemacht. Der Erfolg scheint ihr recht zu geben: Jüngsten Umfragen zufolge könnte der FN mit 24 Prozent der Stimmen die stärkste Partei in Frankreich werden.

Marine Le Pens Strategiewechsel hat auch Folgen auf europäischer Ebene – und die ist dem FN zuletzt durchaus wichtig gewesen. Anfang 2007 war es ihm gelungen, mit der Europa-Parlamentsfraktion Identität, Tradition, Souveränität ein extrem rechtes Bündnis auf die Beine zu stellen. Fraktionschef war Bruno Gollnisch. Allerdings zerbrach die Fraktion schon Ende 2007, weil die beteiligten rumänischen Nationalisten sie aus Protest gegen rassistische Pöbeleien des italienischen Fraktionsmitglieds Alessandra Mussolini verließen; Mussolini hatte nach Italien migrierte Rumäninnen und Rumänen wüst beschimpft. Daraufhin formte die FN-Führung im Oktober 2009 die Alliance of European National Movements (AENM), ein neues Bündnis, dem zunächst fünf, später neun Parteien angehörten, darunter die ungarische Jobbik, die British National Party (BNP) und die italienische Fiamma Tricolore. Vorsitzender wurde erneut Bruno Gollnisch. Die Parteien der AENM bedienen allerdings genau das faschistische Milieu wüster Antisemiten, von dem Marine Le Pen den FN eigentlich strategisch lösen wollte. Deshalb kam es nach dem FN-Führungswechsel zu einer skurrilen Situation: Marine Le Pen trat aus der – von Parteikamerad Gollnisch geführten – AENM aus und als Einzelperson einer anderen Dachorganisation bei, der European Alliance for Freedom (EAF).

Die EAF wiederum ist das Produkt von Kräften, die den Hardcore-Kurs des alten FN mit Skepsis beobachtet haben und nach dem Desaster mit der Fraktion Identität, Tradition, Souveränität erst mal genug von der Marke Le Pen hatten. Die EAF wurde Ende 2010 gegründet, allerdings nicht als Bündnis von Parteien, sondern als Zusammenschluß von Parlamentariern. Gründungsvorsitzender war ein gewisser Godfrey Bloom, der damals für die britische UK Independence Party (Ukip) im Europa-Parlament saß. Im Europa-Parlament sitzt er immer noch, allerdings nicht mehr für die Ukip, seit er eine Reihe von Dingen gesagt und getan hat, die den Rahmen zulässiger Exzentrizitäten denn doch sprengten. Erst mokierte er sich über Entwicklungshilfezahlungen Großbritanniens an »Bongo-Bongo-Land«, dann haute er einem verdutzten Reporter in aller Öffentlichkeit eine Broschüre auf den Kopf, schließlich bezeichnete er auf einer Parteiveranstaltung alle anwesenden Frauen als »Schlampen«. Die Ukip hat ihn daraufhin zum parteifreien Abgeordneten erklärt. In der EAF, in der er weiterhin wirkt, fällt sein Verhalten nicht ganz so auf. Ihr gehört auch Kent Ekeroth von den Sverigedemokraterna an, der Ende 2012 Ärger bekam, nachdem er bei einem Abendausflug gefilmt worden war. Das Video zeigt drei »Schwedendemokraten«, darunter Ekeroth, die einen Migranten rassistisch beschimpfen, eine Frau, die sie davon abhalten will, als »Hure« und »Fotze« anpöbeln und sich anschließend mit Eisenrohren bewaffnen. Ekeroth hat zwar Ärger bei den Sverigedemokraterna bekommen, ist aber – wie Bloom – weiterhin bei der EAF aktiv.

Die tragenden Kräfte der EAF sind allerdings nicht Bloom und Ekeroth, sondern Politiker der FPÖ und des Vlaams Belang, zweier in vieler Hinsicht recht ähnlich operierender Parteien, die schon seit Jahren kooperieren und als »gemäßigter« als der »alte« FN gelten. Sie haben je zwei Mitglieder in die EAF entsandt; sie stellen den derzeitigen Vorsitzenden, Franz Obermayr (FPÖ), und einen stellvertretenden Vorsitzenden, Philip Claeys (Vlaams Belang). Auch FPÖ-Vordenker Andreas Mölzer ist mit von der Partie. Als zweite Vizevorsitzende ist im Oktober 2011 Marine Le Pen hinzugestoßen. Das ist der Kern, um den herum sich das jetzt geplante Europa-Bündnis der äußersten Rechten formieren wird. Le Pen hat mittlerweile dafür gesorgt, daß der FN auf europäischer Ebene vollständig auf EAF-Linie einschwenkt: Sie hat Ende Oktober ihren Vater und Bruno Gollnisch, die beide noch in der AENM aktiv waren, dazu verdonnert, dort endlich auszutreten. Darüber hinaus haben FPÖ und Vlaams Belang ihre Versuche verstärkt, neue Kooperationen zu begründen. Unmittelbar nach Le Pens Verhandlungen mit Wilders kamen am 14. und 15. November in Wien Vertreter weiterer Rechtsparteien zusammen, um ihrerseits künftige Möglichkeiten zur Zusammenarbeit auszuloten. Mit dabei waren die Lega Nord (Italien) und die Slowakische Nationalpartei (SNS). Der harte Kern des geplanten Bündnisses beginnt sich zu erweitern.

Wozu das Ganze? Nun, Kooperation ist natürlich politisch ganz allgemein vorteilhaft, weil sie Kräfte bündelt. Sie bringt aber auch schlicht materiellen Nutzen. Die EAF erhält, weil sie formal als europäische politische Partei organisiert ist, aus EU-Töpfen bereits rund 370.000 Euro im Jahr. Viel lukrativer wäre es natürlich, wenn man eine Fraktion bilden könnte; dafür sind aber mindestens 25 Abgeordnete aus sieben EU-Mitgliedstaaten nötig. Auch daß zum Beispiel die FPÖ in Umfragen auf deutlich über 20 Prozent kommt und der Vlaams Belang, der nur in der nördlichen Hälfte Belgiens kandidiert, immer noch zehn Prozent landesweit schafft, hilft nicht viel: Belgien wird im nächsten Europa-Parlament nur 21 Sitze zu verteilen haben, Österreich gerade einmal 18. Wer eine Fraktion bilden will, kommt um Mitgliedsparteien aus den großen EU-Staaten nicht herum. Großbritannien etwa entsendet 73 Abgeordnete ins Europa-Parlament, Frankreich 74; entsprechend groß ist die Bedeutung der Ukip, die in Umfragen zweistellige Zustimmungswerte erzielt, und des FN. Letzterer ist dank Le Pen schon bei der EAF im Boot. Wilders hat unmittelbar nach seinen Kooperationsgesprächen mit Marine Le Pen an die Ukip appelliert, ihre Weigerung, sich dem neuen Bündnis anzuschließen, zu überdenken. Ungünstig ist es für die Rechtsfront im Europa-Parlament freilich, daß das Land mit der größten Zahl an Abgeordneten (ab 2014: 96), Deutschland, immer noch über keine wirklich schlagkräftige Rechtsaußenpartei verfügt. FPÖ und Vlaams Belang haben eine Weile versucht, die Pro-Organisationen in Nordrhein-Westfalen mit intensiver Aufbauhilfe zu unterstützen; das ging so weit, daß der Vlaams Belang für Pro-Großveranstaltungen die Tribüne aus Antwerpen ankarrte, weil die Pro-Clique zu derlei nicht in der Lage war. Ihr Vorsitzender Markus Beisicht und seine Leute haben’s trotzdem nicht gepackt, ihre Vereinigung außerhalb einiger weniger Städte in Nordrhein-Westfalen zu verankern. Bei der EAF haben eine Zeitlang die »Bürger in Wut« mitgemischt, die in Bremen einst um die Fünf-Prozent-Hürde pendelten; eine wirkliche Bedeutung hat die Gruppierung jedoch nicht. Attraktiv wäre für die EAF natürlich die AfD; die aber ist gespalten. Parteichef Bernd Lucke und ein Großteil seiner Professorenriege haben zwar nichts gegen Wählerstimmen aus der äußersten Rechten, lehnen aber deren Politik und damit auch ein Bündnis mit der EAF aus den verschiedensten Gründen ab. Der ultrarechte AfD-Flügel hingegen wäre für ein Rechtsaußenbündnis auf europäischer Ebene durchaus offen; zwei seiner Aktivisten sprachen im November mit Ukip-Chef Nigel Farage über eine mögliche Kooperation.

 

Deutschland ist für das sich abzeichnende neue Europa-Bündnis der äußersten Rechten also ein Problem – natürlich nicht, weil die hiesige Bevölkerung zu fortschrittlich wäre (davon kann keine Rede sein), sondern weil das deutsche Establishment von Franz Josef Strauß gelernt hat: Rechtsaußen wird keine Stimme verschenkt. Trotzdem dürfte ein Bündnis von FPÖ, Vlaams Belang, FN, Wilders und einigen weiteren Rechtsaußenparteien aus kleineren EU-Mitgliedstaaten Fraktionsstärke erlangen; gelingt es, auch noch die Ukip ins Boot zu holen, dann sehen einige den neuen Zusammenschluß im EU-Parlament schon in einer Größenordnung nahe der Grünen-Fraktion (derzeit 58 Abgeordnete). Den Rechtsaußenparteien verschafft aktuell auch noch die Euro-Krise Aufwind. Das deutsche Hegemonialprojekt EU ist aus den unterschiedlichsten Gründen unbeliebter denn je; die Krise spitzt die Dinge zu und treibt in einer ganzen Reihe von Ländern relevante Teile der Bevölkerung nach rechts. FPÖ, FN und Konsorten suchen sich daran zu bedienen – bislang durchaus mit Erfolg.

Dabei sprengen ihre Bündnispläne geographisch längst den Rahmen der EU. In den letzten Monaten ist zumindest beim FN und beim Vlaams Belang die ukrainische Partei Swoboda stärker in den Blick gerückt. Im Juli trafen sich Vertreter von Swoboda und FN, im Oktober Abgesandte von Swoboda und Vlaams Belang – jeweils, um politische Gemeinsamkeiten zu eruieren und eine engere Zusammenarbeit ins Auge zu fassen. Swoboda hat bei den Wahlen im Oktober 2012 landesweit mehr als zehn Prozent erzielt. Während die Partei im rußlandorientierten Osten der Ukraine keinen Fuß auf den Boden bekommt, ist sie im Westen um so stärker, besonders in den Regionen um Lwiw, Ternopil und Iwano-Frankiwsk, wo sie bei Wahlen mehr als 30 Prozent erzielt. Gegründet wurde sie erst 2004 – direkt aus der Sozial-Nationalen Partei der Ukraine, die zur Markierung ihrer Positionen ein der Wolfsangel nachempfundenes Parteisymbol verwendet hatte. Eine der ersten Taten von Parteiführer Oleh Tjahnybok bestand darin, offiziell zu verkünden, man werde die Ukraine aus den Krallen einer »moskowitisch-jüdischen Mafia« befreien müssen. Zu diesem Zweck beteiligen sich Parteiaktivisten seit Ende November zahlreich an den Massenprotesten in der Ukraine, die eine EU-Assoziierung des Landes erreichen wollen. Spricht sich da also eine extrem rechte Partei tatsächlich für die EU aus? I wo. Es geht darum, den russischen Einfluß loszuwerden – und das ist ohne taktische Verbündete in der Tat unmöglich.

 

Daß Swoboda-Politiker sich mit Vertretern von FN und Vlaams Belang getroffen haben, ist eigentlich eine Überraschung – denn traditionell kooperiert die ukrainische Partei vor allem mit Hardcore-Faschisten vom Schlage der italienischen Forza Nuova oder auch mit der NPD. Das entspricht der Überzeugung von Parteiführer Tjahnybok, die Ukrainer seien eigentlich »soziale Nationalisten«, die in Kürze eine »dritte Revolution« beginnen müßten. Eine Grundlage für eine Kooperation von Swoboda und etwa dem Vlaams Belang bieten allerdings historische Traditionen. Swoboda sieht sich ausdrücklich in der Tradition ukrainischer NS-Kollaborateure, insbesondere von deren Anführer Stepan Bandera. Bandera beteiligte sich mit seiner Organisation Ukrainischer Nationalisten (OUN) im Juni 1941 an der Seite NS-Deutschlands am Überfall auf die Sowjetunion; Milizionäre der OUN waren etwa in die Pogrome und Massaker involviert, mit denen die jüdische Bevölkerung Lembergs vernichtet wurde. OUNAnführer Bandera wird heute in der Westukraine beinahe kultisch verehrt; die mörderischen Aktivitäten seiner Bande würden dort »als der Höhepunkt der nationalen Befreiungsbewegung «verstanden, schreibt der Politikwissenschaftler Andreas Umland aus Kiew, ein Kenner der Szene.

An eine solche Sichtweise können zumindest einige Parteien des neu entstehenden Bündnisses um Wilders, den FN, die FPÖ und den Vlaams Belang anknüpfen. »Während des Zweiten Weltkriegs stand ein großer Teil der flämischen Nationalisten auf seiten des Deutschen Reichs«, schrieb vor Jahren Karel Dillen, ein einflußreicher Politiker des Vlaams-Belang-Vorläufers Vlaams Blok. Staf de Clercq, NS-Kollaborateur und mit seinem Vlaamsch Nationaal Verbond an der Deportation der Jüdinnen und Juden aus Flandern beteiligt, »ist einer der historischen Anführer der Flämischen Nationalen Bewegung«, gab Filip Dewinter, der führende Kopf des Vlaams Belang, 2005 zu Protokoll: »Unsere Partei, der Vlaams Belang, ist ihr Nachfolger.« Entsprechende Kollaborationstraditionen finden sich auch in anderen Parteien, nicht zuletzt in der FPÖ, deren zwei erste Vorsitzende hochrangige SS-Führer gewesen sind. Der Waffen-SS komme »alle Ehre und Anerkennung zu«, rief FPÖ-Chef Jörg Haider 1995 denn auch nicht ohne Grund. Die Tradition der Kollaborateure wäre wohl ein hintergründig einigendes Band in dem sich abzeichnenden neuen Rechtsaußenbündnis. Geert Wilders hat recht: Ein Wahlerfolg eines solchen Zusammenschlusses käme tatsächlich einem Erdrutsch in der europäischen Politik gleich.

 

 Jörg Kronauer schrieb in KONKRET 12/13 über die deutsche Spionagehysterie

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