15.03.2018 10:58
Das deutsche Kriegswaffenkontrollgesetz untersagt Rüstungsexporte in Staaten, die bereits oder wahrscheinlich in Zukunft an Kriegen beteiligt sind. Doch die Rüstungsindustrie hat Wege gefunden, dieses Verbot zu umgehen. konkret sprach darüber mit Stefan Liebich, dem außenpolitischen Sprecher der Fraktion Die Linke im Bundestag.
konkret: Rüstungsexporte sind nach deutscher Gesetzgebung verboten, wenn sie zu friedensstörenden Handlungen beitragen. Tun sie das nicht immer?
Stefan Liebich: Ja, deswegen sind wir auch dagegen.
Im letzten Jahr hat die Bundesregierung Rüstungsexporte im Wert von 428 Millionen Euro an Ägypten, von 249 Millionen Euro an Saudi-Arabien und für 214 Millionen Euro an die Vereinigten Arabischen Emirate genehmigt. Verstößt das nicht gegen das Kriegswaffengesetz?
Das Gesetz über die Kontrolle von Kriegswaffen besagt ja in erster Linie, dass es einer Genehmigung bedarf, wenn Kriegswaffen ins Ausland verkauft werden. Wenn die Bundesregierung Genehmigungen für den Verkauf nach Saudi-Arabien und Ägypten erteilt, ist das sicherlich gesetzeskonform, aber politisch, ethisch und moralisch trotzdem falsch.
Rheinmetall hat 2016 ein Wachstum von 14 Prozent verzeichnet. Welche Rolle spielen dabei ausländische Produktionsstätten?
Da ist Rheinmetall ziemlich deutlich: Standorte in Ländern mit laxeren Exportregeln sind bei denen Teil der Strategie. So kann man woanders tun, was in Deutschland nicht oder schwerer ginge.
Rheinmetall umgeht das Kriegswaffengesetz auch, indem sie ganze Rüstungsfabriken verkaufen, wohin, weiß man meist nicht so genau.
Richtig, da sprechen Sie einen dramatischen Punkt an. Der Verbleib vieler Waffen und auch der Verkauf von ganzen Rüstungsfabriken – im vergangenen Jahr hat beispielsweise eine Tochtergesellschaft von Rheinmetall eine Bomben- und Munitionsfabrik an Ägypten geliefert – sind Themen, die die Bundesregierung viel zu lange ignoriert hat. Das betrifft übrigens auch den Transfer von Wissen. Wenn ein führender Mitarbeiter von Rheinmetall mit seinem gesamten Wissen nach Saudi-Arabien zieht, um dort eine neue Waffenfabrik zu bauen, muss man darüber sprechen, wie solcherlei Geschäfte künftig unterbunden werden können.
Der wissenschaftliche Dienst des Bundestages hat vor kurzem festgestellt, dass es durchaus möglich ist, ein Gesetz zu erlassen, nach dem deutsche Behörden ihre Zustimmung erteilen müssen, wenn Deutsche im Ausland Rüstungsgüter mitentwickeln oder produzieren. So könnten solche Geschäfte zumindest erschwert werden.
Verlegen auch andere deutsche Rüstungsunternehmen ihre Produktionsstätten ins Ausland?
Diese Strategie scheint auch für andere Unternehmen interessant. Heckler & Koch beispielsweise will in den USA produzieren. Es ist hinlänglich bekannt, dass es dort kaum juristische Einschränkungen für Waffenverkäufe gibt. Auch Sig Sauer produziert in den USA. Erinnern Sie sich an den Amoklauf in Las Vegas im letzten Jahr, bei dem ein USAmerikaner 59 Menschen tötete? Die Hauptwaffe war ein deutsches Produkt von Sig Sauer.
Rüstungsbetriebe agieren mit großer Intransparenz. Oft weiß man weder wer beliefert wird noch mit was oder in welchem Umfang.
Wir thematisieren seit Jahren, welche Geschäfte gemacht werden. Jan van Aken hat in den letzten beiden Legislaturperioden das Thema Rüstungsexporte auf die Agenda des Bundestages geholt. Wir wollen diese Arbeit nun weiterführen. Aus Sicht der Rüstungsunternehmen ist nachvollziehbar, dass sie nicht darüber sprechen wollen. Und auch aus Sicht der Bundesregierung – vor allem der SPD.
Diese Partei hat in den letzten vier Jahren das Bundeswirtschaftsministerium und das Außenministerium geleitet, und das waren die Jahre, in denen Deutschland mehr Waffen verkauft hat als je zuvor. Kein Wunder, dass sie versuchen, das alles unter den Teppich zu kehren. Die Empörung ist richtigerweise riesig.
Im Jemen-Krieg hat Rheinmetall sowohl Saudi-Arabien als auch den Iran mit Waffen beliefert. Kann die Bundesregierung nichts tun, um so etwas zu verhindern?
Doch, natürlich: keine Genehmigungen für Rüstungsexporte an diese Länder mehr erteilen und die bisherigen Genehmigungen zurückziehen. Das ist möglich.
Sigmar Gabriel hat mehrfach gesagt, dass die Waffenexporte, die getätigt wurden, schon zu Zeiten der schwarz-gelben Regierung genehmigt worden seien. Aber er kann die Ausfuhren trotzdem stoppen. Unter Umständen muss Deutschland dann Strafzahlungen leisten, es wäre aber eine politische Entscheidung. Wenn ich es ernst damit meine, keine Waffen mehr in Kriegs- und Krisengebiete liefern zu wollen, dann muss ich das in Kauf nehmen. Besser eine Strafzahlung als weitere Tote und Verletzte durch deutsche Waffen.
Wie groß ist die Beteiligung deutscher Rüstungsunternehmen an den blutigen Konflikten weltweit?
Deutschland steht auf Platz drei der »Rüstungsweltrangliste«. Dafür trägt die Politik eine Verantwortung, weil schließlich alle Waffenexporte genehmigt werden müssen.
In welcher Weise sind Politik und Waffenindustrie miteinander verbunden?
Die Waffenindustrie ist in Deutschland gut vernetzt, da sitzt auch die IG Metall mit im Boot. Eine Politik, wie wir sie fordern, wird auch ein paar Arbeitsplätze kosten und etliche verändern. Es ist eine politische Entscheidung zu sagen, es ist einfacher, Waffen weiter zu verkaufen als sich mit Programmen zur Konversion zu beschäftigen. Eins wird jedenfalls immer klarer: Wer Waffen in alle Welt liefert, darf sich nicht wundern, wenn künftig noch mehr Menschen vor diesen Waffen und dem Krieg, den sie produzieren, zu uns fliehen.
Interview: Fritzi Busch
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