15.03.2013 16:29
Heute erscheint »die humorvollste literarische Begegnung des Jahres« endlich auf DVD: »Ein Schlagabtausch zwischen zwei Welten, ein Experiment mit unbekanntem Ausgang.« So kann auch nur die Presseabteilung des WDR das fatale Zusammenwirken zweier Herren anpreisen, von denen keiner auch nur einen einzigen Witz erzählen kann. In der Kulturkolumne in KONKRET 4-2012 hat sich Jürgen Roth mit dem Phänomen Hirschhausen/Karasek eingehender beschäftigt.
Gut, die Fußballbundesliga wird man auf absehbare Zeit ebensowenig abschaffen wie das Mehrwertgesetz, und aus demselben opaken Grund, der infiniten Prolongation des gesellschaftlichen Schwachsinns, müssen wir uns vermutlich bis zum St. Nimmerleinstag mit zahllosen Figuren herumschlagen, die auf dem Feld der massenmedial deformierten Öffentlichkeit reüssieren und nichts anderes sind als vom objektiven Ungeist nobilitierte Trottel.
Zwei augenblicklich besonders erfolgreiche Kameraden aus dem Heer der auf sämtlichen Sende- und sonstigen Plätzen herumquasselnden Lachsäcke hören auf die Namen Eckart von Hirschhausen und Hellmuth Karasek. Der eine ist »ARD-Alles-Moderator« (Stefan Niggemeier), leidet unter »Hybris« (ders.) und ist stolz auf seine Karriere als medizinischer Kabarettist (Die Leber wächst mit ihren Aufgaben, Glück kommt selten allein …; beide Rowohlt): »Ich bin stolz, daß ich einen Trend entwickelt habe, den es vorher in dieser Form nicht gab und den auch keiner vorhergesehen hat.« Kann man denn einen Trend entwickeln, den es vorher in dieser Form schon gab? Wurscht. Weiter: »Ich war da sicher ein Pionier. Es ist ja ein deutsches Phänomen, wissenschaftlichen Themen, die populär vorgetragen werden, zu mißtrauen. Wenn beispielsweise ein englischer Wissenschaftler ein Sachbuch schreibt, das zum nationalen Bestseller wird, gewinnt er an Anerkennung, in Deutschland verliert er die Anerkennung von Kollegen. Dabei brauchen die Menschen Orientierungswissen « – und deshalb neben R. David Precht seit etlichen Jahren halt zudem den Meisterclown Hirschhausen, der auf dem Dresdner Kirchentag anno 2011 5.000 Schafe »All You Need Is Love« singen läßt und damit stante pede die gesamte Hammelhorde therapiert, diesen »Dr. Hihihi«, der »für die Deutschen längst so wichtig ist wie der Papst und Mario Barth zusammen«, dieses »pfiffige Kerlchen«, das »statt Antidepressiva … sich selbst« verschreibt und das mit seiner »Mischung aus Kabarett, Coaching und amerikanischer Massenpredigt« die »neben der Karriere Mario Barths … größte Erfolgsgeschichte im deutschen Unterhaltungswesen der vergangenen Jahre ist«, was zu der Vermutung Anlaß gibt: »Solange sich der Mann so verkauft, wird ihm keiner Einhalt gebieten, am wenigsten er selbst« (alle Zitate: »Süddeutsche Zeitung«, diverse Ausgaben jüngeren Datums).
Und der andere ist eben Hellmuth Karasek, ein Mann, der gewiß nur in Deutschland zu einem anerkannten beziehungsweise bekannten Literaturkritiker hat werden können, in einem Land, in dem die allgemeine, vom Kapital verordnete Bildungsferne kaum noch von jener in Michael Moores Amerika zu unterscheiden ist.
Was passiert, wenn man zwei derartige Alphagestalten des Kulturvernichtungsbetriebes nebeneinandersetzt, die nichts zu sagen haben und nicht mal das können, war unlängst, am 22. Februar, in der nicht minder »hochwertigen « (Stiftung Warentest) Talkshow »Markus Lanz« (ZDF) zu sehen, wo Hirschhausen und Karasek ihr Hörbuch »Ist das ein Witz? Kommt ein Literaturkritiker zum Arzt …« (Der Hörverlag 2011) präsentierten, den Mitschnitt einer Lesung, der eine »Hommage an eine aussterbende Kunst« – den Witz – sein soll und der so unvergleichlich fad vor sich hingurgelt, daß man als unbeugsamer Freund der komischen Kunst bei einem einzigen Witz aufmerkt (»Was ist weiß und stört beim Essen? Eine Lawine.«) und den beiden Humorsoldaten ein Wort des Herrn Hirschhausen vors Gackersabberlätzchen schleudern möchte, nämlich daß jeder Witz »ein Stück Persönlichkeitstest für das Gegenüber« sei, also ein Stück weit ein Stück Urteil des Zuhörers über den Esprit und die intellektuelle Zurechnungsfähigkeit des Witzerzählers.
Ja, was passiert, wenn sich zwei solch flamboyante Scherzgockel im Fernsehen spreizen, auch um ihre Comedy-Lesetour zu »promoten« (www.woxikon.de), und insonderheit über ihr eigenes deprimierend dämliches Geplapper lachen? Wohnt man dann dem x-ten Aufguß jener Heinrich Lummerschen DDR-Witze aus den Achtzigern bei, die Dr. öd laut CD ausgesprochen prickelnd fand? Nicht? Aber dann diesem: »Brandt trifft Ulbricht. Um etwas Small talk zu machen, sagt Brandt: ›Ich habe ein Hobby, ich sammle Witze, die Leute über mich erzählen.‹ Sagt Ulbricht: ›Ach, ist ja interessant, ich habe ein ähnliches Hobby: Ich sammle Leute, die Witze über mich erzählen.‹«
Klar, der ist noch besser als: »Kommt ein Zyklop zum Augearzt …« Den freilich trägt »Prof.« Karasek vor, dieser »begnadete Witzerzähler« (NDR Kultur: »Wickerts Bücher«, 4. Dezember 2011), der seine lebenslange Begeisterung für das »Volksgut« Witz damit erklärt, daß er, der Witz, und sei’s der ranzigste aus der Herrenrundeabteilung, »sein Türöffner in die Herzen der Frauen« (gewesen) sei. Der hier molestierte Gastgeber Ulrich Wickert versucht bei, über den Daumen gelugt, 28 Witzen aus dem Munde Karaseks notabene pflichtschuldig zweimal zu gickern.
Man mag Eckart von Hirschhausen zugute halten, daß er im Gespräch mit »Spiegel Online « nicht nur die Ventilfunktion und bisweilen »anarchische Kraft« des Witzes preist, sondern darüber hinaus erläutert: »Humor kann auch Machthierarchien stabilisieren. Es ist zum Beispiel überhaupt nicht egal, wer einen Witz erzählt. Wenn der Chef einen Witz macht, lachen alle pflichtbewußt mit. Wenn dagegen die Putzfrau vorbeikommt und den gleichen Witz erzählt, sagen alle: ›Entschuldigung, wir arbeiten gerade.‹ Humor kann Leute ausgrenzen und Gruppenzugehörigkeit herstellen.« Im selben Interview indes schnabelt es aus diesem Humorarzt, der den Witz für »glückbringend« hält, heraus: »Erst die Arbeit und dann das Vergnügen. Diese Einstellung kommt mental noch aus dem Bergbau, wo Arbeit wirklich kein Vergnügen war. Nur, in der heutigen Gesellschaft ist das die größte Kreativitätsbremse. Spaß treibt das Gehirn an. Wenn man bei dem, was man tut, keinen Spaß hat, macht man etwas grundsätzlich falsch.« Das sollten sich die Kassiererin bei Lidl und der Ali bei McDonald’s hinter die Ohren schreiben.
Eckart von Hirschhausen findet – wie R. D. Precht die Lektüre von Goethe – das Lernen von Latein in der Schule überflüssig. Er setzt sich »dafür ein, daß Glück und Gesundheit Schulfächer werden«, und schaufelt auf Sylt mit H. Karasek »Wein und Pasta« in sich hinein, woraufhin Herr K., weil sich die beiden »bis spät in die Nacht … die Pointen um die Ohren« hauten, ein Buch zusammendengelt, das Soll das ein Witz sein? Humor ist, wenn man trotzdem lacht (Quadriga 2012) heißt, beinahe 400 Seiten umfaßt und noch mal per Hirschhausen-Vorwort und ff. dasselbe Spießerwitzeltum zelebriert, das aus jedem diesbezüglichen TV-, Internet- und Hörbuchdokument spricht.
Wir haben das Unlesbare gelesen und machen es uns trotz unserer gewissenhaften Anstreichungen jetzt mal bequemer. »Karaseks schon beeindruckende Unfähigkeit, gute Witze auszuwählen, sie gar zu erzählen, zu analysieren oder auch nur einzuordnen, seine allgegenwärtige Schmierig- und Beliebigkeit« tadelte »Titanic«, und auf Amazon, wo Hirschhausen laut »Lanz« beglückende Elogen auf den Humorhavariedreck der beiden Kohlköpfe entdeckte, vernehmen wir: »Dieser Mann kennt keine guten Witze und schreibt darüber ein Buch. Das ist aberwitzig!« – »Ein grauenhaftes Buch, das sich – zumindest läßt es die Wortwahl vermuten – nur an 90jährige Kriegsveteranen richtet, die an Soldaten- und Wirtschaftswunderwitzen Gefallen finden … Kein Wunder, daß das Proletariat nur noch in die Röhre guckt, denn jede Castingshow hat mehr Unterhaltungswert als dieser öde Altherrenschinken.
Wir danken und wenden uns wieder der Wirklichkeit zu.
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