17.08.2017 11:31
… nannies last. Die Quote als Privileg – welche Spitzenverdienerin kann dazu schon nein sagen? Angesichts eines Frauenanteils in den Unternehmensvorständen von 6,1% wiederholt Familienministerin Barley die Forderung, eine Frauenquote gesetzlich vorzuschreiben. Diese Forderung, schrieb Christiane Ketteler in konkret 04/11, zeige, „dass feministische Politik heute mehr denn je ein Kampf der Privilegierten im nationalen Wettbewerb geworden ist.“
Claudia Roth präsentiert sich für den »Spiegel« auf einem cremefarbenen Sofa und verlautbart: »Die Kämpfe gegen die Quote sind die letzten Abwehrkämpfe der patriarchalen Gesellschaft des vorletzten Jahrhunderts.« Natürlich vergißt sie nicht hinzuzusetzen: »Uns Grünen hat die Quote richtig gutgetan.« Natürlich: Nicht ihr, Claudia Roth, hat die Quote gutgetan, sondern der Partei, wie eben heute die Quote den Unternehmen Gutes tun soll, weil wahlweise »Frauen die besseren Männer sind« oder man sich von ihnen geschlechtsspezifisch inspirierende Innovationen erhofft.
Wer sich wie Roth an der Spitze eines Kampfes gegen überholte Relikte glaubt, den kümmern die geschichtlichen Wandlungen der Forderung nach einer Frauenquote wenig. Alles kommt nun zum gerechten Ende. Es werden gar die letzten Kämpfe sein. Wer kann dazu schon nein sagen? Auch Arbeitsministerin Ursula von der Leyen will »jetzt richtig Feuer in der Hütte machen«, und der »Spiegel« spricht von der »Machtfrage«, obwohl seine Journalistinnen eine Angst umtreibt: »Müssen wir so werden wie ein Mann?« Die Frau in der Chefetage ist die vermännlichte Frau, nicht einfach der Chef, der sich den Strukturzwängen anzupassen hat. Sie ist die Frau, die so wird wie ein Mann, weil es dort eben nur Männer gibt. Auch zu Hause ist die Chefin zu wenig Frau, weil sie ihre ureigenste Qualifizierung, Fürsorge und Zuwendung für andere, vernachlässigt. Die Quotendiskussion bringt ans Licht, was vom Feminismus in Deutschland übriggeblieben ist. Sie wird als Einladung mißverstanden, geschlechterspezifische Differenzen aufzuladen, nicht abzuschaffen.
Die Befürworterinnen der Quote versprechen sich von ihr nicht in erster Linie ein repräsentatives Firmenporträt mit Frauengesichtern, sondern die zeitgemäße Umstrukturierung des Arbeitsalltags. Ausgerechnet die siebenfache Mutter von der Leyen setzte die Idee in die Welt; ihre Nachfolgerin als Familienministerin, Kristina Schröder, die sich derzeit als schwangere Leistungsfähige inszeniert, schloß sich nur zögerlich an. Dabei geht es allein um eine Quote für Aufsichtsräte und Vorstände, also um Spitzenverdienerinnen. Prompt wehrte Angela Merkel, die bekanntlich für eine »soziale«, nicht einfach für eine freie Marktwirtschaft steht, den Vorstoß ab. Vertreterinnen der Wirtschaft wie die Vorsitzende des Bundes Deutscher Jungunternehmer, Marie Christine Ostermann, wetterten ebenfalls gegen die »Quotenkeule«. Für die liberale Ideologie vom unabhängigen Individuum ist der gesetzliche Eingriff eine Störung im freien Kräftespiel des Marktes und Schmähung der eigenen Leistung. Dabei schwingt immer die Angst mit, als Quotenfrau beschimpft und nicht ernst genommen zu werden. Dann lieber unverdient keinen Posten. Daß der Erfolg der einzelnen von als individuell erlebten Zufällen abhängt, die durch Geburt, Erziehung, Klassenzugehörigkeit und anderes bestimmt werden, darüber schweigen die Leistungsträger. Die Mär von der dummen Quotenfrau ist die geschlechterübergreifende Obsession des bürgerlichen Leistungsgewissens; mit der Realität hat sie wenig zu tun.
Ohnehin ist die Quote nicht das blanke Gegenteil zur liberalen Position. Auch Ostermann fordert Unterstützung für Frauen, nur will sie Kinderbetreuung statt Quote, als ob das eine ohne das andere möglich wäre. Auf staatliche Unterstützung ist die Frau hiernach allein in der Familie angewiesen, die von ihr mit dem Arbeitsmarkt in Einklang gebracht werden muß. Sie ist das Humankapital, in das investiert wird, sofern das Ziel die Erwerbstätigkeit auf dem freien Markt ist. Tatsächlich scheint das einzige Handicap der Frauen auf dem Weg zum Erfolg heute das Kinderkriegen zu sein, das aber unbedingt zum Frausein dazugehören soll. Männer werden nach der Vereinbarkeit von Familie und Karriere nicht gefragt.
Was medial als Eigeninitiative der Ministerin von der Leyen verkauft wurde, exekutiert eine Vorgabe der EU-Justizkommissarin Viviane Reding aus dem vergangenen Jahr, die sich jüngst mit europäischen Unternehmensführern traf, um ihr Nachdruck zu verleihen. In den westeuropäischen Ländern – anders als in der Türkei, Teilen Osteuropas und Rußland – haben Frauen nahezu keine Führungspositionen inne; in Deutschland liegt der Prozentsatz der Spitzenpositionen in den 200 größten Unternehmen bei 2,5 Prozent. In diesem Jahr müssen die EU-Staaten daher »glaubwürdige« Maßnahmen zur Gleichstellung ergreifen, die die Frauenquote in den börsennotierten Unternehmen bis zum Jahr 2015 auf 30 Prozent, bis 2020 auf 40 Prozent erhöhen sollen. Norwegen, Frankreich und Spanien haben die Quote bereits. Am 1. Januar 2007 wurde in Deutschland das Elterngeld in einen Zuschuß für Erwerbstätige und Besserverdienende umgewandelt, die nun eine staatliche Ersatzlohnleistung von bis zu 1.800 Euro pro Monat erhalten. Der Betrag ist abhängig vom Einkommen, also individualisiert, die Ausbildung und Zukunft der Kinder bleibt weiter an das ökonomische Schicksal der Eltern gebunden. Parallel wurde das Elterngeld für Hartz-IV-Empfänger gestrichen. Von der Leyen macht insofern feministische Politik, die nicht länger an biologistische Zuschreibungen anknüpft, sondern sich an den Maßstäben des leistungsfähigen Erwerbstätigen orientiert. Ob nun Frauen oder Männer, in der Familie oder alleinerziehend, das Geld einbringen, ist da tendenziell gleichgültig.
Wenn aber Frauen durch »Relikte« einer Altherrengesellschaft keine Führungspositionen erlangen können, sinkt für sie der Anreiz, und den soll die Quotierung schaffen. Sie nützt nicht allen Frauen, sondern denen, die den Sprung in die Erwerbstätigkeit bereits geschafft haben. Einzelne Männer hingegen fühlen sich wie eh und je durch die Quote diskriminiert, sie fürchten um ihre Jobs. Das ist eine berechtigte Angst. Diskriminiert aber werden sie nicht, denn niemand wertet ihre Qualifikation ab, weil sie männlich sind. Mein Job ist nicht dein Job – das macht die Quote besonders deutlich. Denn solange das Modell der Vollbeschäftigung und der ständigen Präsenz am Arbeitsplatz von der Wirtschaft gefordert und die Kinderbetreuung nicht sichergestellt ist, wird sich an diesem Konkurrenzverhältnis zwischen Männern und Frauen nichts ändern. Innerhalb dieser Rahmenbedingungen machen Frauen Interessenpolitik. Sie tun also das, was Bürger eben vernünftigerweise tun können. Ob Quote mit oder ohne Kinderbetreuung, in beiden Fällen beschränkt sich die Perspektive auf Karriere und Familie, dazwischen und darüber hinaus ist nichts mehr.
Daß Frauen diese Bürger sein können, hält Bascha Mika in ihrem Buch Die Feigheit der Frauen (siehe Buch & Deckel S. 60) für zweifelhaft: Frauen nutzten das Kinderkriegen, »um sich vor anderen Lebensaufgaben zu drücken« Die scheinheiligen Betrügerinnen »schützen Arbeit nur vor« – das Sein sei ihnen das Versorgtsein. Die Hetze gegen Fürsorge paßt sich ein in die Deregulierung des Sozialstaates. Aus ihr tönt die Aggression einer Aufgestiegenen. Es soll Schluß sein mit den »Komfortzonen«.
Mika kann beruhigt sein, es ist längst Schluß damit. Für die meisten Eltern bedeutet die ohnehin mangelhafte staatliche Kinderbetreuung keineswegs nur weniger Arbeit, denn man muß neuerdings auch an der Optimierung der staatlichen Ressourcen arbeiten – von der Wahl der Schule bis zum selbstbezahlten Musikunterricht und Fremdsprachenkurs. Gerade aber für die Besserverdienenden sind Familie und Kinder die »Komfortzonen«, nur haben sie wenig mit Glück zu tun, es sind umkämpfte Emotionspakete im marktkompatiblen Selbstmanagement. Wer sich allein auf die Quote als »letzten Kampf« gegen das Patriarchat fixiert, dem gerät aus dem Blick, an wen die reproduktive Arbeit gegenwärtig delegiert wird und in welchem Spannungsverhältnis sie zum Rückzug ins Private steht.
Die derzeit in Berlin gezeigte Ausstellung »Beyond Re/Production: Mothering« fokussiert diesen Wandel der Arbeitsteilung im Neoliberalismus. Sie präsentiert eine Mischung aus künstlerischen und dokumentarischen Arbeiten, die sich mit dem Rollenbild der Mutter und der Neuordnung der Reproduktionsarbeit auseinandersetzen. Der Titel, der sich nicht nur auf die Tätigkeit der Kinderbetreuung und Hausarbeit, sondern auch auf die Pflegearbeit bezieht, macht deutlich, daß die biologische Mutterschaft von der Reproduktionsarbeit mehr und mehr abgelöst wird. Die als uneigennützig geltende Fürsorge von Frauen wird durch die Kommodifizierung der reproduktiven Arbeit überhaupt erst als Arbeit wahrgenommen. In Ländern wie Dänemark oder Israel ist es bereits üblich, daß Familien eine Nanny und Haushälterin mieten, die in dieses Land migriert ist. Sie wohnt bei der Familie und schickt das Geld ihren Kindern und Verwandten im Herkunftsland. Daß diese Frauen in der Öffentlichkeit meist unsichtbar bleiben, begründet die Kuratorin Felicita Reuschling mit einer dem Kapitalismus immanenten Abwertung von Arbeiten, die nicht unmittelbar wertschöpfend sind und dem Bereich des Privaten zugeschlagen werden. Länderübergreifend werden sie mehrheitlich von Frauen verrichtet und schlecht bezahlt.
Fürsorgearbeit fordert die Verschmelzung von privatem und beruflichem Leben und ein hohes Maß an »emotionalem Engagement«. Sofern man die Fähigkeit dazu noch immer Frauen als originäre Qualifikation zuschreibt, geraten die Arbeitsbedingungen und -rechte in diesem Bereich kaum in den Blick. Die Mutter hingegen, die versagt, mutiert zum Monster. Die Ausstellung dokumentiert Versuche von Hausarbeiterinnen in Hongkong, sich als Kollektiv in der Stadt eine Stimme zu verschaffen (»Exchange Square« von der Künstlerin Moira Zoitl), oder stellt Initiativen wie den Arbeitskreis »Unbezahlte Arbeit« der Gewerkschaft Verdi vor, der gegen die Illegalisierung der Arbeiterinnen ohne Papiere kämpft. Materialien über Deutschland finden sich kaum, denn hier steht die Privatisierung der Haus- und Pflegearbeit erst am Anfang. Sie wird sich beschleunigen, wenn im Mai das Freizügigkeitsgesetz in Kraft tritt, das osteuropäischen Arbeiterinnen ein reguläres Beschäftigungsverhältnis ermöglichen soll. Solange ein immer stärkerer Leistungsindividualismus gefordert und die Reproduktionsarbeit immer stärker privatisiert wird, muß sie von anderen getragen werden, die es nicht bis zur Quote geschafft haben. Diese Frauen werden dann vermutlich nicht nur für die Familien schuften, deren Frauen in den Aufsichtsräten sitzen, sondern auch für andere berufstätige Mütter, deren Gehalt gerade reicht, um eine billige Arbeitskraft aus dem Osten zu beschäftigen. »Drüben« steht hinter der Erwerbstätigen oft die Großmutter oder Tante oder Schwester, die das »Mothering« für sie erledigt. »Beyond Re/Production« zeigt nicht, wie diese Abhängigkeitsketten jenseits der staatlichen Fürsorge zu brechen wären. Die Ausstellung stellt die Abhängigkeitsverhältnisse dar und beleuchtet die gesellschaftliche Um- und Abwertung von »Abhängigkeit«. Sie legt nahe, daß die Abhängigkeit in der mütterlichen Arbeit nicht allein Makel ist, sondern durch die Politisierung des Privaten gesellschaftlich organisiert werden muß. Das aber ist weder ein Frauenthema noch allein die Aufgabe von Frauen, sie sind nur diejenigen, die es trifft. Der Kampf dagegen ist mit der Quote nicht bestritten. Sie zeigt vielmehr, daß feministische Politik heute mehr denn je ein Kampf der Privilegierten im nationalen Wettbewerb geworden ist.
Die Ausstellung »Beyond Re/Production: Mothering« läuft noch bis 24. April im Kunstraum Kreuzberg / Bethanien in Berlin. Dazu gibt es Vorträge (siehe www.gunda-werner-institut.de) und eine Filmreihe im FSK-Kino.
Christiane Ketteler schrieb in KONKRET 7/10 über Angela McRobbies traurige Bestandsaufnahme des Feminismus im Neoliberalismus
Ins Archiv der konkret-News geht es hier entlang.