12.12.2014 14:43
Der Dunstkreis. Führer durch den schwarz-braunen Sumpf. Von Martin Buchholz
Ein Neo-Nazi ermordete in München dreizehn Menschen. Der bayrische CSU-Innenminister verkündete sehr schnell, das sei das Werk eines Einzelnen gewesen. KONKRET untersuchte die Szene des Terroristen.
IST Franz Josef Strauß ein Mann des KGB? Oder wollte ihn die PLO an die Macht bringen? Ist er möglicherweise ein Favorit der SED-Führung?
Oder wie sonst sind die unterschiedlichen Informationen nach dem Attentat auf dem Münchner Oktoberfest auf einen politischen Nenner zu bringen? Da vermutete das Nachrichtenmagazin »Newsweek« etwas, was hierzulande kaum einer laut zu denken wagt: daß nämlich dieses Massaker ein mißlungener Wahlhilfe-Coup war, um Strauß ins Kanzleramt zu bomben, denn »die Bombe könnte in der Hoffnung gelegt worden sein, der Anschlag werde den Linken angelastet - und Helmut Schmidt«. Wie aber ist das mit den Informationen der »Welt« zusammenzubringen, die sofort nach dem Attentat auf der Titelseite die eigentlichen Drahtzieher entlarvte: »Fäden der Neonazis zu PLO und SED«. Auch für die »FAZ« stand gleich der KGB im Verdacht.
Also, was denn nun? Strauß - eine Breschnew-Marionette? Ausgerechnet der? Jeder, der dem CDU/CSU-Kandidaten faschistoide oder revanchistische Tendenzen nachsagte, war doch von eben diesem Kandidaten beschuldigt worden, sich seine Argumente aus Moskau besorgt zu haben als rote Allgemein-Plätze. Wie könnte Strauß da dem Kreml nützlich sein?
Fragen wir beim bayrischen Verfassungsschutz nach. Hier die überraschende Auskunft: »Geht man von der Frage 'Cui bono?' - 'Wem nützt es?' aus, so hätte der kommunistische Machtbereich tatsächlich ein Interesse, seine Behauptung, die Bundesrepublik sei 'faschistisch verseucht' und 'revanchistisch'... zu untermauern und die Bundesrepublik damit gleichzeitig bei ihren westlichen Bündnispartnern in Mißkredit zu bringen.«
So ein Sprecher des bayrischen Verfassungsschutzes in »Quick«. Wie könnte der »kommunistische Machtbereich« seine Behauptung wohl besser untermauert haben als mit einem Franz Josef Strauß an der Spitze der Bundesregierung?
Cui bono? Es gibt keine Erklärung dafür, und es wurde auch keine abgegeben, welchen anderen Zweck die Bombenleger in München verfolgt haben sollten als eben jenen, den »Newsweek« vermutet. Hätte sich der Mann vor Ort, Gundolf Köhler, nicht so ungeschickt angestellt und sich nicht gleich mit in die Luft gesprengt, wären sofort die »linken Terroristen« im Gerede gewesen. So war es schon vor zehn Jahren, als ein Brandanschlag auf ein jüdisches Altersheim in München verübt worden war. Obwohl die Hinweise auf neonazistische Täter offenkundig waren, klärte Peter Boenisch in der »Bild-Zeitung« die Sache schnell in umgekehrter Richtung auf. Das waren die »radikalen Demonstranten«, die »uns die Scheiben einschlugen, unsere Zeitungswagen anzündeten«. Und: »Gestern kämpfte man radikal für Castro und Che Guevara und heute brutal für die El Fatah. Vorgestern brannte ein Zeitungswagen, und heute verbrennen Juden in einem Altersheim.« Damit wurde zur totalen Hatz auf alle Anti-Springer-Demonstranten geblasen. »Bild«-Schlagzeile damals: »JAGT SIE, BIS SIE HINTER SCHLOSS UND RIEGEL SITZEN!!!«
Aus dem Tod von »sieben alten Juden, die den Gasöfen der Nazis entkamen«, wurde Kapital für Springer geschlagen. Diesmal wäre die Wahlentscheidung »Freiheit statt Sozialismus« für viele Wähler gewiß klarer gewesen, wenn die Spuren nicht so eindeutig zur »Wehrsportgruppe Hoffmann« geführt hätten. Spätestens seit der Lorenz-Entführung kurz vor der Berliner Wahl im Jahre 1975, bei der dann die CDU ein unverhofftes Super-Ergebnis erzielte, weiß man, daß sich »linker Terror« (oder was immer dazu erklärt wird) in rechten Kreuzen für den Rechts-Staat niederschlägt.
Bei einer späteren Wahl versuchte es der faschistische Starautor der »National-Zeitung«, Prof. Rubin, dann mit Eigeninitiative. Er entführte sich selbst - allerdings so dilettantisch, daß der Kripo Zweifel kamen an der Horror-Terror-Geschichte. Rubin gab schließlich zu, die Sache mit einem Freund inszeniert zu haben, um der Öffentlichkeit bei der Einsicht nachzuhelfen, daß Deutschland Strauß als starken Mann brauche.
Prof. Rubin und sein Entführungshelfer Dr. Manfred Plöckinger, ein Ex-NPD-Mann und Aktivist der »Aktionsgemeinschaft 17. Juni«, hatten zuvor CSU-Freundeskreise gegründet, weil Strauß eine »Sammlungsbewegung zur Rettung des Vaterlandes« ausgerufen hatte. Die aufrechte Gesinnung dieser neonazistischen Helfertrupps für Strauß wurde in einem Rundschreiben des CSU-Freundeskreises Köln deutlich: »Wir gehen in den aktiven Widerstand mit allen verfügbaren Mitteln... Strauß muß an die Macht. Wir müssen ihm die Macht erzwingen, so oder so... 'Bayernkurier' und 'Nationalzeitung' bleiben unsere Hauptorgane. In ihnen wird die Richtung angegeben...«
»Die Wehrsportgruppe war nie eine Gefahr für die öffentliche Ordnung«
Diese CSU-Freundeskreise - in Hamburg vom NPD-Freund Rieger ins Leben gerufen - lösten sich dann später auf. Einige Aktivisten gründeten allerdings einen neuen Freundeskreis: nämlich den »Freundeskreis zur Förderung der Wehrsportgruppe Hoffmann«. Hier tauchten die Namen der Strauß-Freunde wieder auf: Friedrich Heckmann in Eberbach zum Beispiel wurde der erste Vorsitzende des Hoffmann-Freundeskreises. In Berlin war Johannes Koesling der Bevollmächtigte, der erst in der NPD als Funktionär und dann sammlungsbewegt für Strauß aktiv war.
Die Spenden für die »Wehrsportgruppe« liefen über das Postscheck-Konto 166 702854 Nürnberg. In einem Werbe- und Bettelbrief an die »lieben Kameraden und wohlwollenden Freunde unserer Arbeit« kündigt der Hoffmann-Verein an: »Die Wehrsportgruppe stößt langsam in Größenordnungen vor, die mehr Unterstützung aus dem Volke unerläßlich macht.« Daß Hoffmann unbestrittener Befehlshaber und Befehlsgeber für die etwa 400 Aktiven, darunter Gundolf Köhler, war, wird in diesem Rundbrief noch einmal zackig klar gemacht: »Daß wir von Anfang an unserer Organisation eine militärische Struktur gegeben haben, hat durchaus seinen Sinn. Klare Unterstellungsverhältnisse ersparen uns jene sattsam bekannten inneren Querelen um Posten und Ansehen, an welchen soviele Gruppen und Parteien zugrunde gegangen sind...«
Zu den Spendern gehörten nicht nur CSU-Wahlhelfer Rubin und die »National-Zeitung«, die Prozeßkosten für Hoffmann übernahm. Der studentische Ableger der Hoffmann-Truppe, der Hochschulring Tübinger Studenten (HTS), bei dem auch Gundolf Köhler mitmachte, wurde zum Beispiel vom Verband der Metallindustrie von Südwürttemberg-Hohenzollern mitfinanziert. HTS-Leiter Axel Heinzmann kandidierte übrigens nicht nur als CDU-Mann für den Gemeinderat, war nicht nur Mitbegründer des baden-württembergischen CSU-Freundeskreises, sondern hatte auch die Ehre, gemeinsam mit CDU-Prominenz wie Kai-Uwe von Hassel und Heinrich Windelen Zeitungsanzeigen mit zu unterzeichnen, in denen Gelder für die weißen Terroristengruppen in Angola, Rhodesien und Südafrika erbeten wurden. Klar, daß auch Kurt Ziesel mit von der Partie war, in dessen »Deutschland-Magazin« inzwischen Gerhard Löwenthal zum Chefkommentator avanciert ist.
Die Finanzierung der »Wehrsportgruppe Hoffmann« lief über viele dunkle Kanäle. Im Februar dieses Jahres versuchte »Die Neue« mit einem Reporter-Trick, den Hintermännern auf die Schliche zu kommen. Mitarbeiter der Zeitung gaben sich als Geldkuriere einer ausländischen Gruppe aus. Als Verbindungsmann für diese fingierte Finanz-Transaktion fungierte Hoffmanns früherer Arbeitgeber Freiherr Gilbert von Sohlern, CSU-Mitglied, Inhaber der Firma »Frankenwerbung«, Schloßherr zu Gößweinstein. Der Freiherr gab bei den Finanz-Gesprächen zu verstehen, daß zwischen dem Rüstungs-Industriellen Diehl und Hoffmann eine Verbindung bestehe.
Der »Stern« berichtete in anderem Zusammenhang über den Waffen-Fabrikanten: »Familienpatriarch Karl Diehl, 73, ist ein Unternehmer von rechtem Schrot und Korn und Duzfreund des CDU/CSU-Kanzlerkandidaten Franz Josef Strauß.« Auch personell ist das Unternehmen mit der CSU verbunden. Eine Diehl-Firma in Remscheid wird von Bernhard Goppel geleitet, einem Sohn des früheren bayrischen Ministerpräsidenten.
Kein Wunder, daß der frühere CSU-Generalsekretär und jetzige bayrische Innenminister Gerold Tandler nach dem Münchner Massaker sofort abwiegelte: »Die Wehrsportgruppe Hoffmann war nie eine Gefahr für die staatliche Ordnung.«
»Wehrsport ist schließlich nicht strafbar.« So salopp fertigte er im Juni letzten Jahres auf einer Pressekonferenz Journalisten ab, die sich nach einem möglichen Verbot der »Wehrsportgruppe« erkundigten Vom Amt für öffentliche Ordnung hatte Hoffmann sogar drei »Waffenbesitzkarten für angemeldete Waffen (drei Pistolen, ein Revolver und 14 Gewehre)«.
»Machen Sie sich doch nicht lächerlich durch Ihre Darstellungen«
Tandlers Amtsvorgänger im bayrischen Innenministerium, Alfred Seidl, hatte sich im Jahr 1978 sogar geweigert, die Hoffmann-Truppe überhaupt bei den neonazistischen Gruppen einzustufen. CSU-Seidl mußte schließlich wissen, wer Nazi ist und wer nicht. In den Nürnberger Prozessen war er Verteidiger von Rudolf Heß und Horst Franck, später auch der SS-Henker Dietrich, Huppenkothen und Simon.
Strauß selbst blaffte noch im Februar dieses Jahres SPD-Parlamentarier im Landtag wegen einer Nachfrage zur »Wehrsportgruppe« an: »Machen Sie sich doch nicht lächerlich durch ihre überdimensionierten Darstellungen. Sie messen ihr (der Gruppe) eine Bedeutung zu, die sie nie hatte und nie bekommen wird.«
Ganz klar: Das Blutbad beim Oktoberfest mußte die Aktion eines »Einzeltäters« sein, wie es Tandler als Sprechregelung ausgab. »Hilfsweise« - wie es im Juristendeutsch heißt, wenn ein Beweismittel nicht ganz zieht - baute Tandler eine zweite Verteidigungslinie auf. Er rief: »Haltet die Hintermänner«, und zeigte in Richtung SED und PLO.
Pech für Tandler, daß ein prominentes Al-Fatah-Mitglied kurz vor dem Attentat in einer Schweizer Zeitung auf die Verbindungen europäischer Faschisten zu den »christlichen« Falangisten im Libanon aufmerksam gemacht hatte. Al Fatah-Mann Abu Ajad berichtete, daß in den Ausbildungslagern dieser von Israel unterstützten Killer-Truppe italienische Faschisten zu Gast gewesen seien, »die ein Attentat in Bologna planten«. Auch »westdeutsche Rekruten« hätten die PLO-Späher gesichtet. Nach Namen befragt, meinte Abu Ajad, daß ein Gruppenführer Hoffmann geheißen habe. Dieser Bericht wurde von der bundesdeutschen Presse nicht beachtet, weil der Name Hoffmann den meisten Journalisten damals noch nichts sagte. Tatsächlich stellt sich jetzt heraus - und Tandler mußte das auf Nachfragen eingestehen -, daß Hoffmann mit den PLO-Feinden von der Falange im Libanon ganz gute Geschäfte machte. Er verhökerte ihnen gebrauchte Bundeswehr-Fahrzeuge.
Die Einzeltäter-Version ist nicht minder märchenhaft: Sprengstoff-Experten des Bundeskriminalamtes machten klar, daß Köhler gar nicht über die militärische Fachausbildung verfügte, um die Granate englischer Bauart, die beim Oktoberfest explodierte, zu einer so verheerenden Splitterbombe umzubauen.
Doch rechte Attentäter waren ja schon immer »Einzeltäter«. Sie mußten es einfach sein. Der Hintergrund und die Hintermänner ihrer Taten durften nicht ausgeforscht werden, weil man sonst am Rande auf bekannte Namen gestoßen wäre.
Ein Musterbeispiel ist der neonazistische »Einzeltäter« Ekkehard Weil, der vor zehn Jahren einen Posten am sowjetischen Ehrenmal in Westberlin niedergeknallt hatte. Obwohl die politische Polizei die Namen aller acht am Attentat beteiligten Täter kannte, wurde Weil zum alleinigen Sündenbock gemacht. Er kam dann auch mit einer vergleichsweisen milden Strafe davon.
»Wir bedienen uns des letzten politischen Mittels, der Liquidation«
Merkwürdig war nicht nur, daß Weils Stiefvater ausgerechnet mit dem Anwalt Peter Lorenz, CDU-Vorsitzender in Berlin, bei der Polizei auftauchte, um den »Einzeltäter« preiszugeben. Die Namen der CDU-Prominenz tauchten immer wieder im Dunstkreis der Weil-Truppe auf. Weil war Mitglied der »National-Revolutionären Jugend«, ein Zusammenschluß des »Bundes Heimattreuer Jugend« (BHJ) und des »Ostpolitischen Deutschen Studentenverband« (ODS) sowie der »Außerparlamentarischen Mitarbeit« (APM). BHJ und ODS waren aber gleichzeitig Teil des »Bundes der Vertriebenen« und unterstanden der Aufsicht von stadtbekannten CDU-Mannen. Die APM entsproß dem Schoß der Anti-APO-Gründung »Demokratischer Club«, dem Honoratioren wie Peter Lorenz Glanz gaben und der von einem CDU-Mitglied, dem Rechtsanwalt Manfred Roeder mitbegründet war.
Die APM war ursprünglich von der Springer-Presse als »demokratische Jugend« Berlins gepriesen worden, weil das Häuflein eine Sympathie-Kundgebung für den Presse-Zaren vor dem Springer-Haus organisiert hatte. Erst als die APM-Aktivisten bei Hakenkreuz-Schmierereien ertappt wurden, las man nichts mehr von ihnen in »BZ« und »Berliner Morgenpost«. Auf APM-Veranstaltungskalendern standen immerhin Namen wie Matthias Walden und Heinrich Lummer (CDU-Fraktionsvorsitzender), auch die Springer-Autoren Mohler, Diwald und Prof. Schoeps waren angekündigt. Später versicherten die Herren allerdings, niemals dort aufgetreten zu sein.
Die »Natiohal-Revolutionäre« von APM, BHJ, ODS hatten sich teilweise mit Maschinenpistolen und Karabinern ausgerüstet, veranstalteten Schießübungen über die Mauer hinweg auf DDR-Posten, schmissen Molotow-Cocktails in linke Buchläden, zertrümmerten die EXTRA-Dienst-Redaktion mit einer demontierten Rosa-Luxemburg-Gedenkplatte, überfielen kirchliche Veranstaltungen gegen den Antisemitismus. Aber sie durften auch mit Mitgliedern der FU-»Notgemeinschaft«, einer reaktionären Professoren-Vereinigung, eine »Wählerinitiative parteiloser Berliner« für die CDU gründen. Und sie waren Mitglieder im »Zollernkreis«, der sich der »Pflege preußischer nationaler Traditionen« widmet. »Kameraden« der jungen Neonazis in diesem »Zollernkreis« waren wieder CDU-Funktionäre wie Lummer und Wohlrabe, aber auch ZDF-Löwenthal.
Ekkehard Weil mußte also ein »Einzeltäter: sein - und er blieb es auch nach seiner Entlassung, als er mit Freunden die Zentrale der Westberliner Kommunisten in Brand setzte. Inzwischen allerdings hatten sich die heißspornigsten Aktivisten der »National-Revolutionäre« zum »NSDAP-Gau Berlin« gemausert, mit innigen Kontakten zur »Wehrsportgruppe Hoffmann« und zum ehemaligen »Demokratischen-Club«-Mitbegründer Roeder.
Der hatte mittlerweile etwas Neues gegründet: die »Europäische Befreiungsfront - Deutsche Bürgerinitiative e.V.« Die Weil-Truppe hatte schon 1970 bei Schmierereien und Flugblatt-Aktionen die »Europäische Befreiungsfront« hochleben lassen. Programmatisches war schon damals nachzulesen: »Wir, die Europäische Befreiungsfront, haben den Kampf gegen die roten Sozialisten begonnen. Wir bedienen uns des letzten politischen Mittels, der Liquidation. Sie eröffnet uns die Möglichkeit, die verbrecherischen Machenschaften zwischen SPD-FDP und den Kommunisten zu beenden.«
Roeder konnte noch im Jahr 1978, als er schon zur »Festnahme wegen Strafantritt« gesucht war, Geldgebern für seine »Europäische Befreiungsfront - Deutsche Bürgerinitiative« Bescheinigungen für die steuerliche Abzugsmöglichkeit der Spenden stellen. Sein Verein war als »gemeinnützig« eingestuft ebenso wie die »Bürger- und Bauerninitiative« seines Kampfgefährten Thies Christophersen. Beide hatten den braunen Dauer-Seller »Die Auschwitz-Lüge« verfaßt, in dem sie »nachwiesen«, daß in Auschwitz kein einziger Jude vergast worden sei.
Einer Haftstrafe über sechs Monate ohne Bewährung entzog sich Roeder durch Flucht - und ließ dann wieder im Juni 1978 als Manfredo Ricardo Roeder aus Brasilien von einer NS-Gedenkfeier der »Deutsch-Völkischen Gemeinschaft« grüßen. Finanziert hatte die aufwendige Flucht die »Organisation der ehemaligen SS-Angehörigen« (ODESSA), ehemals ein »Kameradenwerk« zur Rettung von NS-Kriegsverbrechern, die von Fliegeroberst Hans Ulrich Rudel (heute »National-Zeitung«) mitbegründet war.
ODESSA verfügt immer noch über riesige Geldsummen, die schon während des Kriegs von Agenten des Reichs-Sicherheits-Hauptamts auf Schweizer Geheimkonten und in Übersee deponiert worden waren. Mit diesen Geldern werden seit langem bundesdeutsche Neonazi-Truppen finanziert. Einer der Geldempfänger soll der ehemalige Offizier der Bundeswehrhochschule Hamburg Michael Kühnen gewesen sein, der sich als Anführer der »Aktionsfront Nationaler Soldaten«, auch als »Hansa-Bande« bekannt, einen rechten deutschen Ruf gemacht hat. Der Karlsruher Werner Braun, bundesdeutscher Vorsteher der »Deutsch-Völkischen Gemeinschaft«, konnte mit ODESSA-Geldern seinen »Angriff« und den »Völkischen Beobachter« drucken.
Roeder wurde in den letzten Jahren als ODESSA-Bote durch die europäischen Lande geschickt. Auch in der Bundesrepublik tauchte er gelegentlich auf. Am 23. August soll er in Hamburg das 10jährige Bestehen seiner »Europäischen Befreiungsfront - Deutsche Bürgerinitiative« gefeiert haben. Als »Geburtstagsgeschenk« sollen zwei seiner Freunde am Abend zuvor Molotowcocktails in eine Ausländer-Unterkunft geworfen haben. Zwei vietnamesische Flüchtlinge starben in den Flammen.
Anfang September wurden Roeder und einige Bombenleger und Brandstifter von den »Deutschen Aktionsgruppen« endlich festgenommen.
Mit ODESSA-Geldern sollen auch die aufwendigen Treffen europäischer Neonazis bei jährlichen SS-Gedenkfeiern in Flandern mitfinanziert worden sein. Organisator ist der »Flämische Militante Orden«. Am letzten Treffen nahmen neben der Hoffmann-Truppe auch die französische FNE (Europäische National-Faschisten), das »British Movement«, die englische »League of St. George« und »Column 80« sowie spanische und italienische Gruppen teil.
In Spanien ist die Mord- und Terror-Gruppe »Apostolische Antikommunistische Allianz« im Konsortium der Euro-Faschisten. Sie killt linke Politiker, Journalisten und Gewerkschafter. Ihr werden enge Kontakte zur reaktionären Splitter-Partei »Accion Democratico Espanola« (ADE) nachgesagt, in der frühere Franco-Minister führend sind. Für diese Partei betätigte sich übrigens Franz Josef Strauß im Jahr 1977 persönlich als Geldbriefträger. Er setzte sich an den Steuerknüppel seines Flugzeuges und überbrachte den Faschisten 100.000 Mark aus der CSU-Kasse. Andere ultrarechte Parteien in Spanien bekamen mindestens 135.000 Mark von Strauß, wie sein damaliger außenpolitischer Referent Dietrich Huber Anfang des Jahres enthüllte.
»Mussolini ist heute kein Popanz mehr«
Auch zur Rechtsaußen-Szene in Italien hat die CSU gute Kontakte. Der Führer der faschistischen MSI-DN (Movimiento Sociale Nazionale - Destra Nazionale), Giorgio Almirante, der 1978 mit französischen und spanischen Faschisten die »Eurodestra«, die »Euro-Rechten« gründete, war stets als Held der westlichen Welt im »Bayernkurier« gewürdigt worden: Das CSU-Blatt forderte in einer »Überlegung zur politischen europäischen Landschaft« eine Neuformierung der »politischen Rechten«, zu der ausdrücklich Almirante gezählt wird.
Originalton »Bayernkurier«: »Ganz abgesehen davon, daß die Mussolini-Maske auf Almirante nicht paßt, ist sie heute auch für viele Italiener kein Popanz mehr.« Heute könne man »auch ruhig auf den vernünftigen Charakter mancher Reformen Mussolinis hinweisen.«
Kein Wunder, daß die faschistische MSI zur jetzigen Bundestagswahl einen Wahlaufruf »Gastarbeiter für F. J. Strauß - Ausländerinitiative für einen CDU/CSU-Kanzler« als Flugblatt in einer Auflage von 100.000 Stück verbreitete. Straußens »Entwurf für Europa« erschien als »Un piano per l'Europa« in Italien dann auch im MSI-Verlag Giovanni Volpe. Neben Strauß im Verlags-Programm sind auch die französisehen Alt- und Neonazis La Rochelle und Saint-Loup mit seiner Geschichte zur Waffen-SS.
Ex-SS-Mann Saint-Loup, auch im Buchprogramm der »National-Zeitung« Erfolgsautor, wird in seinem Kampf gegen »Judentum und Bolschewismus« von einer rechtsextremen Organisation namens G.R.E.C.E. unterstützt, einer Art Ordensburg für neonazistische Meisterdenker. Sie predigen mit neuen »wissenschaftlichen Beweisen« von amerikanischen, britischen und bundesdeutschen Verhaltens- und Intelligenzforschern und Genetikern die »angeborene Ungleichheit zwischen den Rassen« und liefern so die »intellektuelle« Rechtfertigung für die antisemitischen Aktivisten der FNE.
Im »pan-europäischen Patronat« von G.R.E.C.E. sitzt als Schutzherr auch der Verhaltensforscher Konrad Lorenz. Ihr breites Publikationsorgan haben die »Neuen Rechten« im »Figaro Dimanche«. Armin Mohler ist der deutsche Propagandist der G.R.E.C.E.-Truppe - natürlich in der »Welt«. Wohlwollend äußerte sich auch »Pankraz« in der »Welt« (hinter diesem Pseudonym steckt der leitende Kulturredakteur Günter Zehm) über die Initiativen der »Neuen Rechten« in Frankreich. Deren Eugenik-Diskussion, so Zehm, dürfe nicht durch die belastende Erinnerung an den Nationalsozialismus unterbunden werden.
Im »Deutschen Monats-Magazin« der CDU wurde die »Neue Rechte« gleich in einem drei Seiten langen Artikel gefeiert. Der Autor: Jean Paul Picaper, Bonn-Korrespondent des »Figaro«, der dem ehemaligen Gestapo-Agenten Robert Hersant gehört. Im »Figaro« war denn auch nach den Massakern von München und Paris von Vermutungen über »KGB-Verbindungen« der Neonazis die Rede. Ein Entlastungsangriff, um die »Neue Rechte« im »Figaro Dimanche« aus dem Spiel zu bringen.
Doch es nutzt nichts: Frankreichs Neonazis von der FNE berufen sich nun mal auf die Thesen der in der »Welt« gefeierten »Neuen Rechten«. Ihre geistige Aufrüstung bezieht sie von dort, die körperliche »Ertüchtigung« im Nahkampf fand im Bayrischen statt. Der britische »Economist« berichtet: »Mitglieder der FNE nahmen an den 'Militärsport'-Übungen in Deutschland teil, die von Karl Heinz Hoffmann organisiert wurden.«
Wo man dieses Thema auch anpackt: Die Linien schließen sich stets zu denselben Kreisen. »Was das Erkennen der wahren Wirksamkeit des Neonazismus so schwierig macht, ist seine im letzten Jahrzehnt bis zur Perfektion gediehene Verzahnung mit dem rechten Flügel großer, sich zur 'demokratischen Mitte' zählender Parteien, speziell mit der CSU.« Das schrieb Bernt Engelmann schon Monate vor dem Münchner Attentat.
Ihm wurden übrigens Anfang des Jahres in einem vertraulichen Monatsbericht des bayrischen Verfassungsschutzes 24 Zeilen gewidmet. Die Hoffmann-Truppe brachte es auf ganze acht.
aus: konkret 11/1980
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