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Obama sieht fern

01.02.2013 12:59

Die erste Staffel der mittlerweile erfolgreichsten israelischen Fernsehreihe »Hatufim« (Kriegsgefangene) war noch nicht gesendet, da begannen Alex Gansa und Howard Gordon, beide nach dem Aus von »24« an einem neuen Projekt interessiert, bereits an einer den US-Verhältnissen angepaßten Variante zu arbeiten. Die Drehbuchautoren von »Hatufim« konnten auf eine jahrzehntelange (kritische) Auseinandersetzung mit dem Thema Kriegsgefangene wie eine breite persönliche Betroffenheit der israelischen Zuschauer setzen. Das gilt nicht für die preisgekrönte USAdaption »Homeland«, Liebling der HBO-Abonnenten und von Barack Obama persönlich für wertvoll erklärt. In den USA wie im deutschen TV, in dem die Serie nun ankommt, läßt sich nicht an ein vergleichbares kollektives Verständnis anknüpfen. So ist eine eher monokausal strukturierte Geheimdienstserie entstanden, die weit hinter die Komplexität des Originals wie auch hinter epische Erzählstrukturen, die etwa »The Wire« auszeichnen, zurückfällt – und doch zugleich ein neues Geschäftsmodell vorführt: Mißtrauen sells.

Schon »24« lief nach einem simplen Schema, das der Ökonomie der Fernsehanstalten zupaß kam: Statt einen Fall in einer Folge aufzulösen, blieben Jack Bauer zur Rettung der Nation 24 Stunden – aber eben auch 24 Folgen pro Staffel. Quick and dirty, auf diesen Nenner läßt sich dieses serielle Erfolgsrezept bringen. Agent Bauer agierte im Zweifel als an Rambo orientierte, aber soziotechnisch umgerüstete Ein-Mann-Armee. Folter wird zum rechtlich zwar irgendwie verwerflichen business as usual, moralisch aber zum relativierbaren Kollateralschaden: Wo gehobelt wird, da fallen Späne. Wo »24« den Gesetzesbruch noch mit einer realen Gefahr in Verbindung bringt, spielt »Homeland« mit einer potentiellen Gefahr und ermöglicht damit eine wenig komplexe, aber funktionale Vervielfältigung des Suspense. Das Böse ist immer und überall, im Namen der Nation ist seit 9/11 alles erlaubt.

Wo »24« seine Atemlosigkeit aus der direkten Katastrophe bezog, baut »Homeland« auf die Folgen einer zur Dauererschöpfung führenden Bedrohungsphobie und stellt die latente Psychose ins Zentrum: Carrie Mathison (Claire Danes), die Jack Bauer beerbt, wird als CIA-Agentin zur zentralen Kippfigur der Serie und muß zugleich im Modus der Kranken agieren: Sie leidet unter einer bipolaren Störung. Die macht sie freilich nicht komplett arbeitsunfähig, im Gegenteil: Die Frau am Rande des Nervenzusammenbruchs ist mittels Pharmazeutika durchaus produktiv. Die vielleicht krankheitsbedingte übermäßige Dopamin-Ausschüttung führt bei ihr zu einem besonders ausgeprägten sechsten Sinn. Daß sie blond, großäugig und mager ist, sich die Männer nimmt, wie es ihr sexueller Appetit verlangt, daß sie Lippenstift oft und gern nachzieht, die Absätze auch im Alltagsgeschäft nicht zu hoch sein können, daß sie hysterisch brüllt und auf der Suche nach Anerkennung im allgemeinen und der großen Liebe im besonderen ist? Geschenkt.

Zuverlässig regrediert, heult und flucht die Antiheldin (die sehenswertesten Szenen sammeln Fans im Internet) – und ähnelt in ihrer ausgeprägten Renitenz Bauer: Sie könnte seine Tochter sein. Daß »Homeland« mit einer schamlosen Ausbeutung aller »weiblichen« Stigmata einhergeht, ist daher weder ärgerlich noch überraschend, sondern Programm. Damit wird Carrie allerdings für einen »femininen« Sicherheitsmodus in Stellung gebracht, der das Yin zum repressiven Yang eines Jack Bauer sein könnte. Während letzterer agiert, weil etwas passiert ist, dreht Carrie durch, weil immer etwas passieren könnte. Carrie ist eine Burn-out-Kandidatin, die rund um die Uhr eine permanente Bedrohung bekämpfen muß – Scheitern als Normalzustand. Die hyperaktive Hellseherin steht für eine allumfassende Präventionslogik und den Zeitgeist aktueller sogenannter Sicherheitspolitiken. Sicherheit wird zum unstillbaren Bedürfnis stilisiert, Frauen gelten Behörden nicht selten als besonders beschützenswert.

Ein solcher Sicherheitsoverkill, dies spielt »Homeland« vor, bedarf nur eines kleinen Triggers – hier ist es Sergeant Brody (Damien Lewis). Der US-Marine wird nach acht Jahren als einziger Überlebender aus einem islamistischen Verlies befreit. Mit seiner Rückkehr in den Schoß des Heimatlandes schmückt sich die kriegführende Macht und macht Brody zum Helden, zum Posterboy.

Die schlanke Grundformel der Serie lautet: Mißtrauen + Verschwörung = Terrorabwehr. Ist Brody der gedrehte US-Marine, von dem ein Informant in Beirut berichtete, kurz bevor er starb? Bereitet Brody einen Terroranschlag in den USA vor? Wird er Vizepräsident? And what’s the difference? Fortsetzung folgt.

- Kendra Briken und Volker Eick -

»Homeland« läuft ab 3. Februar (22.15 Uhr) auf Sat 1.

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