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30.05.2013 15:39

DIE LEBENDEN

Regie: Barbara Albert; mit Anna Fischer, Hanns Schuschnig; Österreich 2012 (Realfiction); 112 Minuten; ab 30. Mai im Kino

Hoffnungsvoll und ängstlich zugleich - so sitzt er in Großaufnahme vor uns. Ein neuer Kandidat, potentieller Materiallieferant für ein weiteres Massenprodukt: der Castingshow-Absolvent. Die Handkameraführung erlaubt uns, jedes Detail seiner Mimik wahrzunehmen, und sorgt so für Irritation: Gilt es, den jungen Herren zu bemitleiden oder gar auszulachen?

Dieser filmisch vielversprechend gestaltete Prolog, untermalt von schlechtem Gesang und Bildern des dämmernden Berlins, markiert den Beginn einer langen, unruhigen Reise, die wir, wie ein Schatten unablässig an der jungen Protagonistin klebend, antreten werden. Wir befinden uns in Sitas Alltag. Die junge Frau arbeitet beim Fernsehen, ist Studentin, verteidigt besetzte Häuser, hat eine Affäre mit ihrem Chef, einen Herzfehler und eine Vorliebe fürs Vespafahren. Wir treiben mit ihr durch ein buntes, junges Berlin und stellen dabei fest, daß diese Masse an Nebenhandlungssträngen gänzlich belanglos für die eigentliche Thematik des Films ist. Diese kommt erst ins Rollen, als Sita anläßlich des 95. Geburtstags ihres Großvaters auf ein Foto stößt, das ihn in SS-Uniform zeigt. Getrieben vom Wunsch nach Wahrheit, begibt sie sich auf eine, aufgrund der Begegnungen, der vielen Ortswechsel und der geführten Dialoge allzu konstruiert wirkende Reise. Sita verliebt sich in einen jungen Künstler jüdischen Glaubens aus Israel, gerät infolge ihrer Recherchen in einen familiären Konflikt, irrt von Berlin über Wien bis nach Warschau und zuletzt Rumänien und begegnet dabei Menschen, die sich zufällig ebenfalls mit dem Holocaust befassen, die Studentin bei sich aufnehmen oder sie gar bei ihrem Besuch des KZ Auschwitz wiedertreffen. Vielleicht möchte die Regisseurin Barbara Albert im wirren und artifiziellen Ablauf der Handlung die innere Zerrissenheit ihrer Protagonistin widerspiegeln - dabei wird diese durch Sitas schwer nachvollziehbaren Stimmungsschwankungen bereits mehr als deutlich.

Was dem hektisch wirkenden Film fehlt, ist Platz für Eigeninterpretation und Reflexion. Albert schafft es nicht oft genug zu berühren. Obwohl sie es stellenweise sehr gekonnt vermag: beispielsweise, wenn sich Sita Videoaufzeichnungen von einem Interview mit ihrem Großvater über dessen Nazi-Vergangenheit ansieht oder auf die Aussage „Mein Opa war KZ-Wachmann“ ein „Das tut mir leid“ entgegnet bekommt.

Der Film wirft große Fragen über Schuld, Verantwortung und Einfluß der NS-Vergangenheit auf die nachkommenden Generationen auf, bietet aber keine Antworten, nur den Blick auf den konstruierten Werdegang einer jungen Frau, die sich mit diesen Fragen befaßt. Wer dem hochkomplexen Thema gerecht werden will, muß vor allem eines erreichen: Tiefe. Doch genau diese fehlt den „Lebenden“.

Carmen Puchinger

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