03.07.2013 11:40
LAURENCE ANYWAYS
Regie: Xavier Dolan; mit Melvil Poupaud, Suzanne Clément; Kanada 2012 (NFP); 159 Minuten; seit 27. Juni im Kino
Xavier Dolan, kanadischer Filmautor, 24, brachte letztes Jahr einen Film heraus, der es nun endlich auch in deutsche Kinos schafft: Laurence Anyways«. Jetzt müssen Sie’s nur noch ins Kino schaffen. Den Prix Lumière in der Kategorie Bester französischsprachiger Film und die Queer Palm in Cannes gibt’s nicht alle Tage, schon gar nicht für unter 25jährige.
»Laurence Anyways« erzählt über die Spanne von zehn Jahren die Liebesgeschichte von Fred (Suzanne Clément) und ihrem Freund Laurence (Melvil Poupaud), klinisch diagnostiziert: Male-to-Female-Transsexueller, zumeist in Montreal. Dolan hat diese Geschichte eine »unmögliche Liebesgeschichte« genannt, aber was weiß er schon? Ein weiser Drag King sagte einmal: Die meisten Probleme auf dieser Welt werden durch einen Mangel an Imagination generiert. Durch die Dolansche Leichtigkeit und Präzision kann an diesem Film mit Staunen beobachtet werden, wie ein Mangel an Imagination für beide, Fred wie Laurence, mal mehr und mal weniger problematisch wird – und vielleicht mit Verzauberung bemerkt werden, wie für alle Beteiligten eine Fülle an ebendieser, mal mehr und mal weniger, denkbar wird.
»Laurence Anyways«, eine einmalige Liebesgeschichte, möglicherweise, wie alle Lieben, die diesen Namen verdienen. Die sich nicht scheren um Eheverträge, Reihenhäuser, Penis/Vagina, Entfernungen (zeit- wie räumlich). Ein Beispiel: Laurence fragt seine Mutter nach dem Outing: »Und, liebst du mich noch?« Sie: »Verwandelst du dich in eine Frau oder einen Idioten? « Daß man bei einem epischen Liebesfilm Taschentücher für Lachtränen braucht – wer hätte das gedacht? Die Musikauswahl, Schauspieler_innen, Kamera und Schnitt sind dufte. Wenig überraschend, wenn einem Dolans letzten beiden Filme über den Weg gelaufen sind.
Denn »Laurence Anyways« komplettiert die Trilogie, die der Regisseur 2009 mit dem fulminanten und dreifach in Cannes ausgezeichneten »J’ai tué ma mère« (»I Killed My Mother«) begann, auf den nur ein Jahr später »Les Amours Imaginaires« (»Heartbeats«) folgte. Nach dem zweiten hatte ich große Angst um den Filmautor, der als »junger Erwachsener« wahrhaftig gute Filme rauszuhauen schien wie andere Anfang Zwanzigjährige miese Witze. Aber nee, Dolan macht weiter, anscheinend weder zugedrogt noch mit anderen lebens- oder Filmdrehgefährdenden Hobbys ausgestattet. Was für ein Glück! Aber sehen Sie selbst.
– Biru David Binder –
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