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06.09.2013 13:56

FEUCHTGEBIETE

Regie: David Wnendt; mit Carla Juri, Axel Milberg; Deutschland 2013 (Majestic); 109 Minuten; seit 22. August im Kino

Sie ist unumstritten der Rolls Royce unter den Blessuren des humiden Milieus: die Analfissur. Der mehr oder weniger dezente Einriß im hinteren Intimbereich gelangte mit Charlotte Roches Teeniebestseller Feuchtgebiete zu angemessener Berühmtheit. So viele Menschen haben den lustig-traurigen Roman über Scheidungskind Helen gelesen, das sich mit dieser Verletzung im Krankenhaus befindet und sich so sehr die Wiedervereinigung der Eltern wünscht, daß sich eine Verfilmung anbot.

Regisseur David Wnendt versteht vom Wort »Scheid-ung« vor allem die erste Silbe. Deshalb hat er ein munteres zweistündiges Video rund um Helens Aussonderungsorgane gedreht. Die von Kinderschauspielerin Carla Juri nicht in den Griff zu bekommende Figur der Helen ritzt sich bei der Schamhaarkonturierung leider das Hinterteil ein. Da sie ohnehin, neben der Koprolalie, an Hämorrhoiden leidet, von denen sie so gern brabbelt, landet sie ob des malträtierten Darmausgangs in der Analspezialklinik. Ein Identifikationsangebot nicht nur, aber durchaus auch für die ältere Generation!

Wenigstens ist Helen für ihre Sauereien privatversichert (Einzelzimmerzuschlag!). Die 18-jährige – eine gelungene Kombination von Borderline, Tourette und den Dingen, die dem Menschen im Laufe seines Lebens so begegnen: Krankheit, Siechtum, fehlgeschaltete Neuronen. Nun wälzt sich die junge Dame in Trauma, Durchfall und Phantasien. Anders als diverse Sekrete ist der Erzählverlauf dabei nicht immer ganz so leichtflüssig.

Denn in dieser Regiephantasie soll man was zu lachen haben. Wnendts Idee von Kino geht dabei ziemlich weit: Spätestens als vier Pizzabäcker das Produkt ihrer Arbeit mit einer ganz besonderen Proteinbotschaft verzieren, erkennt man das geschmacksgrenzverletzende Potential dieses leicht lächerlichen Films, sollte man bis dahin nicht schon eingeschlafen sein. Dickes Minus: wieder keine Gastrolle für die Mutter des gepflegten Small Talks, Lady Bitch Ray.

Zwei Assoziationen stellen sich ein, die einem nicht mehr aus dem Hirn wollen: Helen ähnelt per Lockenpilzkopf plus Sprachmodulation in frappanter Weise dem Pumuckl. Zweitens: Der Film ist eine gähnige Mädchenversion von »Das kleine Arschloch«.

Drogen, Ficken und verkommene, verzweifelte Menschen: Um die kleine Arschlöcherin hätte sich ein tolles Generationenporträt drehen lassen. Mit Helen gesprochen ist das Ergebnis: Da rein, da raus.

– Jürgen Kiontke –


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