Die Kieler Uni streitet über die Selbstverpflichtung zu rein ziviler Forschung.
»Pax optima rerum« – »Frieden ist das beste der Dinge«. Das steht auf dem Siegel der Christian-Albrechts Universität zu Kiel (CAU). Und auf dieses Siegel verweisen die Kieler Studenten, die für ihre Hochschule die Einführung einer Zivilklausel fordern. Mit solchen Klauseln verpflichten sich Universitäten, nur für zivile Zwecke zu forschen, also keine Forschungsaufträge von Bundeswehr oder Rüstungsindustrie anzunehmen. Die Hochschulen in Bremen, Dortmund, Göttingen, Konstanz, Oldenburg und Tübingen sowie die Technische Universität Berlin haben bereits solche Selbstverpflichtungen eingeführt, und insbesondere an den Universitäten in Augsburg, Frankfurt/Main, Kassel, Kiel und Köln gibt es starke studentische Kampagnen für die Einführung einer Zivilklausel.
Die erste deutsche Hochschule, die eine Zivilklausel einführte, war 1986 die Universität Bremen. Der Klausel nach sollen die Uni und ihre Mitarbeiter »jede Beteiligung von Wissenschaft und Forschung mit militärischer Nutzung bzw. Zielsetzung« ablehnen. Seitdem gab es allerdings mehrmals Streit um die Selbstverpflichtung und ihre genaue Auslegung. Zuletzt 2012, als herauskam, daß einzelne Institute der Universität seit 2003 mit dem Unternehmen Orbitale Hochtechnologie Bremen (OHB) zusammengearbeitet hatten. OHB kommt aus der Branche für Luft- und Raumfahrttechnik und arbeitet auch für Verteidigungsministerien und Rüstungsindustrie. Im Rahmen der Zusammenarbeit haben Forscher der Uni Bremen zwischen 2003 und 2006 OHB bei einem Projekt im Auftrag des deutschen Verteidigungsministeriums unterstützt. Aufgrund der guten Zusammenarbeit wollte OHB der Hochschule 2012 eine Professur für Raumfahrttechnologie sponsern. Erst dadurch wurden Studenten auf die langjährige Kooperation aufmerksam. Sie forderten von ihrer Hochschule ein Bekenntnis zur Zivilklausel. Die Universität räumte zwar die Mitarbeit an dem Projekt für das Verteidigungsministerium ein, wollte aber zunächst den Geldgeber OHB nicht vergraulen.
Die Hochschulleitung ließ sogar verlauten, daß sie »eine Aktualisierung der ›Zivilklausel‹ für erforderlich« halte, »da sich die geopolitische Gesamtsituation seit den achtziger Jahren erheblich verändert hat«. Doch dann ging der OHB-Vorsitzende Marco Fuchs in die Offensive und stellte der Hochschule laut »Weser-Kurier« ein Ultimatum: »Entweder die Uni ändert ihre Zivilklausel, oder wir lassen die Professur sein.« Von dem möglichen Imageschaden abgeschreckt, gab die Universität den protestierenden Studenten nach und bestätigte ihre Zivilklausel.
Eine der Hochschulen, die noch keine Selbstverpflichtung zur ausschließlich zivilen Forschung beschlossen haben, ist die Christian-Albrechts-Universität zu Kiel. Deren Leitung sieht auch gar keine Veranlassung für eine Diskussion, obwohl der Allgemeine Studierendenausschuß (Asta) und örtliche Friedensaktivisten seit mehreren Jahren die Einführung einer Zivilklausel fordern. Um ihr Anliegen zu untermauern, ließ der Asta die Studentinnen und Studenten bei den letzten Wahlen zum Studierendenparlament im Sommer 2013 auch über eine mögliche Zivilklausel abstimmen. Knapp 74 Prozent befürworteten die Einführung der universitären Selbstverpflichtung. Die Wahlbeteiligung lag allerdings nur bei 18 Prozent, was die Hochschulleitung zum Anlaß nahm, das Ergebnis zu ignorieren. Mittlerweile hat die Kampagne des Asta neuen Aufwind bekommen; verschiedene Medien haben den schwelenden Streit an der CAU thematisiert.
Durch die mediale Aufmerksamkeit aus der Reserve gelockt, machte der Professor für Politikwissenschaft Joachim Krause mit einer im Internet veröffentlichten Stellungnahme auf sich aufmerksam. Er ist auch der Direktor des Instituts für Sicherheitspolitik an der Kieler Universität, das einen Großteil der 2,7 Millionen Euro, die die CAU in den letzten fünf Jahren von Bundeswehr und Nato für Forschungsprojekte bekam, erhalten hat. Krause lehnt die Einführung einer Zivilklausel natürlich ab. Hätten die Studenten mit ihren Bestrebungen Erfolg, müßte er sein Institut nämlich schließen. Für Krause sind Selbstverpflichtungen zur zivilen Forschung »politisch motivierte Einschränkungen der Freiheit von Forschung und Lehre«. Er ist überzeugt, »daß derartige Klauseln von linken und vor allem linksextremen Gruppen unterschiedlicher Provenienz als Einfallstor genutzt werden, um den Betrieb an der Universität entweder in ihrem Sinne zu steuern oder diesen zu stören«. Auch an dem Sinn seiner Sicherheitsforschung zweifelt Krause natürlich nicht. Sie sei bedeutend für die Arbeit der Bundeswehr. So berichtet der Professor, daß er »zwischen 2011 und 2013 ein Forschungsprojekt für das Bundesministerium der Verteidigung durchgeführt« habe, »welches Lehren aus dem Afghanistan- Einsatz für vergleichbare künftige Einsätze der Friedenskonsolidierung zieht«. Titel dieses Projekts:»Counterinsurgency«, zu deutsch: Aufstandsbekämpfung, »Erfahrungen, Strategien und Aussichten unter besonderer Berücksichtigung des ressortübergreifenden Ansatzes«.
Aber Professor Krause geht noch weiter. In einem Abschnitt seiner Stellungnahme zur Diskussion über Zivilklauseln, den er bereits wenige Stunden nach Veröffentlichung offensichtlich bereute und deshalb rasch wieder strich, schrieb er: »Diese Art von Kooperations- und Kontaktverboten (mit dem Ziel der gesellschaftlichen Ausgrenzung bestimmter Institutionen und Personen) erinnert fatal an Zeiten, in denen Universitäten in Deutschland nicht mit Menschen oder Institutionen kooperieren durften, weil diese jüdisch waren.«
Leider haben nicht nur die Gegner von universitären Selbstverpflichtungen äußerst fragwürdige Ansichten. Auch im Umfeld der Befürworter tummeln sich Aktivisten, mit denen man nicht in einer Reihe stehen möchte. Die Kieler Friedensbewegung etwa demonstriert, wenn es ihr nicht gerade um Zivilklauseln geht, auch gerne gegen die »U-Boot-Produktion für Israel« der in Kiel ansässigen Howaldt-Werft. Beim alljährlichen Ostermarsch gab es 2012 ein Banner mit der Aufschrift »Deutschland – Stop – Waffenlieferung nach Israel«, wobei die Worte »Stop« und »Israel« sowie ein U-Boot bluttriefend dargestellt waren.
Bernd Meimberg vom Zusammenarbeitsausschuß der Friedensbewegung Schleswig-Holstein, gerngesehener Redner bei Podiumsdiskussionen zu Zivilklauseln, sprach auch bei diesem Ostermarsch. Er begann seine Rede mit dem Gedenken an die Opfer der Bombardierungen von Kiel und Lübeck im Zweiten Weltkrieg, um dann zu seinem eigentlichen Anliegen zu kommen: »Wir Deutschen sind berechtigt, die Regierungspolitik Israels zu kritisieren«, meinte Meimberg wenig aufregend. Allerdings ist seine Begründung vor allem der Sorge um das eigene Volk geschuldet: »Es ist deutsche Staatsräson, daß die Bundeswehr im Kriegsfall sofort bedingungslos an der Seite Israels kämpft, das heißt, Deutschland befindet sich automatisch im Krieg gegen den Iran, wenn Israel angreift.« Aus der deutschen Vergangenheit, die Israel ihm immer noch vor Augen führt, ergibt sich Meimbergs Credo, mit dem er auch das Engagement für eine Zivilklausel an der CAU begründet: »Deutsche Verantwortung heißt Frieden schaffen!«
Johannes C. Reinhardt schrieb in KONKRET 10/13 über deutsche Unternehmen, die Sicherheitstechnologie an autoritäre Staaten verkaufen