Schrittzähler, Pulsuhren, Stirnbänder für die Gehirnaktivität: Dieser Selbstoptimierungskram ist erst der Anfang, ab 2027 werden kybernetische Arme an den Rumpf geschraubt, die Finger erhalten nanokeramische Reißnägel, die Augenlider sind aus Stahl, unablässig werden existentielle Digitalinformationen auf die biosynthetische Okularretina gestreamt. Jedenfalls widerfährt dies Adam Jensen, der als Sicherheitschef bei Sarif Industries arbeitet. Der Konzern des Amerikaners David Sarif hat sich auf die Herstellung biotechnischer Produkte spezialisiert, also künstlicher Implantate für Menschen, die damit ihre Leistungsfähigkeit steigern, was als Augmentierung bezeichnet wird. Vor einer wichtigen Präsentation vor Vertretern der US-Regierung stürmen Terroristen das Firmengebäude, töten die leitende Wissenschaftlerin und Geliebte Jensens, der selbst lebensgefährlich verletzt wird. Sein lädierter Leib wird mit Augmentierungstechniken ausgestattet, wodurch sich sechs Monate später eine perfektionierte Menschmaschine zum Dienst in der Augmentierungsindustrie zurückmelden kann.
So beginnt die Geschichte des neuen Games »Deus Ex: Human Revolution« (Square Enix), in dem der Spieler die Kontrolle über Jensen übernimmt. Bald ist er in politische Intrigen verwickelt, bei denen Kritiker der Augmentierungstechnik genauso instrumentalisiert werden wie Jensen und seine Kampfgenossen. Lobenswert ist die Möglichkeit, sich in Jensens Gestalt die Frage nach der eigenen Menschlichkeit zu stellen, während man mit seinen Mikrofaserfingern die Alarmanlage sabotiert. Am Ende muß der Spieler moralische Entscheidungen treffen, die das Schicksal der Menschheit beeinflussen: Ist Biotechnik nur ein Geschäft, oder verändert sie das Bewußtsein und schafft neue Macht- und Klassenverhältnisse?
Spielerisch orientiert sich »Deus Ex: Human Revolution« an den Vorgängerteilen von 2000 und 2002, der Spieler nutzt seine Implantate, um während der Sabotage- und Geiselbefreiungsaktionen die Missionsziele zu erfüllen. Er kann sich stets entscheiden, wie er vorgeht, ob er an seinen Gegnern vorbeischleicht oder ob er sie tötet. Die Gegner sind nicht dumm, eine clevere Vorgehensweise ist meist wirkungsvoller als Brachialgewalt.
Das Spiel erschien erstmals 2011, die überarbeitete Version enthält zusätzliche Inhalte, die chronologisch sinnvoll in den Handlungsverlauf integriert wurden. In der getesteten Fassung für die Wii U vermag der Spieler das Touchscreen-Gamepad der Konsole zum Hacken von Kameraanlagen einzusetzen. Die Spielwelt sieht beeindruckend aus, man bewegt sich durch weitläufige Areale, wobei die Städte leider arg menschenleer wirken. Die englische Sprachausgabe ist fabelhaft, während Jensens deutsche Stimme so unangenehm flapsig klingt wie die eines »Tatort«-Kommissars – und das hat der Maschinenmensch wahrlich nicht verdient.
– Peter Kusenberg –