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Schafseggel

Wolfgang Thierse, Vizepräsident des Bundestags, sieht seinen Kiez im Migrantensumpf versinken. Weil auf dem Prenzlauer Berg die juten alten Schrippen nur noch Wecken heißen, die Frikadellen aber Fleischkiachle, wünscht er sich, »daß die Schwaben begreifen, daß sie jetzt in Berlin sind und nicht mehr in ihrer Kleinstadt mit Kehrwoche«. Da und dort fiel das Wort »Schwäbische Mafia«.

Was Thierse und sein Volk nicht wissen können oder wollen: daß es ihrem Prenzelberg nach dem Fall des Walls, der sie nicht nur vor Faschisten schützte, geht wie dem Rest der Welt seit eh und je. Wo man hintritt: Schwaben.

So auch am Abend des legendären 13. August 1961. Auf einer Aussichtsplattform wurde zur bunt angestrahlten Gischt der Niagara Falls der Ausruf gehört: »Heiligs Blechle, isch dees schee.« Gesprochen von einem Ingenieursschüler aus Esslingen, zum Erschrecken eines Studenten aus Tübingen.

Dem Wehrdienst zu entgehen, wechselte der Student zum Wintersemester nach Westberlin, an die Freie Universität, wo er später in den Dunstkreis einer Gruppe sozialdemokratischer Studentenpolitiker geriet. Der Vorsitzende des Allgemeinen Studentenausschusses hieß Wolfgang Roth. Er kam aus Schwäbisch Hall. Sein Nachfolger, Hartmut Häußermann, war aus Waiblingen. Die Referentin für Gesamtdeutsches, Tochter des Bürgermeisters von Tübingen, hieß Herta Gmelin. Dazu die Zwillinge Niels und Ulf Kadritzke, geboren zwar im westpreußischen Rosenberg, aufgewachsen aber am Fuß der schwäbischen Alb. Der »Spiegel« verriet 1967: »Wortführer sind vornehmlich sozialdemokratische Studenten aus Süddeutschland – im FU-Jargon ›Schwäbische Mafia‹ genannt.«

Dann war vierzig Jahre Ruh’ (um nicht zu sagen: Omertà). Bis die Illustrierte »Stern« erneut Alarm schlug:

Schwaben. Schwaben. Überall Schwaben. Schon kursiert im Bundestag wieder das Wort von der »Schwäbischen Mafia«: Eine Kanzlerin, die am liebsten die »schwäbische Hausfrau« gibt, drei Bundesminister (Annette Schavan, Wolfgang Schäuble, Dirk Niebel) aus dem Ländle, zwei Fraktionsbosse (Volker Kauder, Birgit Homburger), dazu reichlich Parlamentarische Staatssekretäre, Parlamentarische Geschäftsführer und Ausschußvorsitzende.

Information nach Illustriertenart. Die Schwäbin im Kanzleramt, in der Uckermark aufgewachsen, ist in Hamburg geboren, Niebel in Blankenese, Wolfgang Schäuble in Freiburg, Hauptstadt der Altbadener, wohnhaft im badischen Gengenbach; für jeden stammesbewußten Schwaben ist er ein feindlicher Ausländer.

Wolfgang Thierse, der jetzt seinen Kiez vor den Schwaben retten will, ist geboren in Wroclaw (vormals Breslau). In seinem Traum von der Vertreibung der Kehrwochenmigranten ruft er: »Ich bin das Volk! Berlin muß schlesisch bleiben!« Thierse könnte Schlimmeres tun: im Wachzustand Politik machen.

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