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Seit 2008 organisiert das Netzwerk Business and Professional Women (BPW) Germany, unterstützt vom Bundesministerium für Frauen, Familien etc. den »Equal Pay Day« (www.equalpayday.de). Das ist der Tag, bis zu dem Frauen über das Jahresende hinaus arbeiten müssen, um den durchschnittlichen Jahresverdienst von Männern zu erreichen. Diese stets von großem medialen Interesse begleitete Aktion soll auf die Lohnlücke (gender pay gap) aufmerksam machen, die jüngsten Zahlen des Statistischen Bundesamtes zufolge bei 22 Prozent liegt. Mit anderen Worten: Frauen in Deutschland verdienen 22 Prozent weniger (pro Stunde) als Männer. Daher hatten die BPW den Equal Pay Day für 2013 auf den 21. März gelegt.

Wir rechnen kurz nach: 80 (Tage im Jahr bis zum 21.3.) / 365 (Tage im Jahr) * 100 = 22 (gerundet). Stimmt demzufolge die Ansetzung? Durchaus nicht. Der Mißstand, der ins Bewußtsein der Bevölkerung gerückt werden soll, erscheint hier wesentlich geringer, als er tatsächlich ist.

Weil aber der Fehler, der der Berechnungsweise der BPW zugrunde liegt, häufig vorkommt und hartnäckig ist, hoffe ich auf Verständnis, wenn ich mit einem kinderleichten Beispiel beginne: Eine Frau verdient 10 Euro in der Stunde, ein Mann 20. Wie lange muß die Frau arbeiten, um auf den Stundenlohn des Mannes zu kommen? In diesem Fall ist mit bloßem Auge erkennbar, daß »zwei Stunden« die richtige Antwort ist. Die BPW aber kämen nach ihrer Weise, den Equal Pay Day zu berechnen, auf anderthalb Stunden: Schließlich verdiene die Frau 50 Prozent weniger als der Mann. Also verdiene der Mann 50 Prozent mehr, und sie müsse dementsprechend 50 Prozent länger arbeiten, um ebensoviel wie der Mann zu bekommen.

Das Mißverständnis besteht darin, relative Zahlen (zum Beispiel Prozentzahlen) wie absolute zu behandeln. Wenn die Frau 50 Prozent weniger als der Mann erhält, dann hat der Mann nicht 50, sondern 100 Prozent mehr. Für weniger offensichtliche Fälle ist eine Formel zu ersinnen: x / (100-x) * 100 = y. Dabei ist x der Prozentsatz, um den A (hier der Stundenlohn der Frau) kleiner ist als B (hier der Stundenlohn des Mannes), und y der Prozentsatz, um den B größer ist als A. In unserem Beispiel: 50 / (100- 50) * 100 = 100.

Die Größe einer prozentualen Differenz ist eben eine Frage der Perspektive, im Unterschied zur Größe einer Lücke. An den üblichen Bezeichnungen Lohnlücke, gender pay gap, gender wage gap zeigt sich also bereits der in Rede stehende Denkfehler, und es ist fraglich, ob eine begriffliche Unterscheidung zwischen gender gap und gender column das Problem lösen würde.

Wenn nun Frauen in Deutschland 22 Prozent weniger verdienen als Männer, dann ist folgendermaßen zu rechnen: 22 / (100-22) * 100 = 28 (wie die 22, die uns Statistisches Bundesamt und BPW nennen, so ist auch die 28 gerundet). Der Equal Pay Day ist dann so zu ermitteln: 365 (Tage im Jahr) / 100 (%) * 28 (%) = 102,2. Das heißt: Nach dem 102. Tag des Jahres, am 103., ist Equal Pay Day. Es ist der 13. April, falls sich nicht unter Verwendung exakter statt gerundeter Zahlen ein benachbartes Datum ergibt oder die Wahl wegen des Arbeitsbezugs der Aktion immer auf einen Werktag zwischen Montag und Freitag fällt (der 13. April ist ein Samstag).

Egal aber, ob 12., 13., 14. oder 15. April: Mit ihrem 21. März verniedlichen die BPW, was sie zu skandalisieren beabsichtigen.

 – Stefan Morschheuser –  

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