Bei der antikapitalistischen M31-Demonstration im vergangenen Jahr in Frankfurt/ Main bekommt ein Verbindungsbeamter der Polizei Pfefferspray und ein paar Tritte ab. Da es bei diesem Vorfall ausnahmsweise mal die Staatsmacht erwischte, durfte er selbstverständlich nicht ungesühnt bleiben. Der polizeiliche Korpsgeist schien angegriffen: Getroffen hat es einen, gemeint sind wir alle! Die Antwort des Repressionsapparats ließ nicht lange auf sich warten: Eine 25köpfige Sonderkommission wurde ins Leben gerufen, Ermittlungen wegen versuchten Totschlags und Bildung bewaffneter Gruppen eingeleitet sowie Stadtverbote für die zwei Monate später stattfindenden Blockupy-Aktionstage verhängt. Da die zuständige Soko 313 allerdings auch nach fast zehnmonatiger Ermittlungszeit keine Ergebnisse vorweisen konnte, veranlaßte die Frankfurter Staatsanwaltschaft Anfang dieses Jahres kurzerhand, daß die Wohnungen von acht Pressefotografen durchsucht und entsprechendes Fotomaterial vom Tag der Demo beschlagnahmt wurde.
Damit nicht genug. Bei den diesjährigen Blockupy-Aktionstagen, die Ende Mai in Frankfurt/Main stattfanden, wurde die Abschlußdemonstration bereits nach wenigen hundert Metern durch die Polizei gestoppt. Der folgende Polizeieinsatz dürfte nicht nur wegen der Brutalität der Beamten eine Zäsur im Umgang mit Protestbewegungen darstellen. Auch die Vehemenz der Strafverfolgung scheint nun neue Dimensionen zu erreichen. Denn mittlerweile verdichten sich Gründe für die Annahme, daß die Einkesselung des antikapitalistischen Blocks auch dazu dienen sollte, die Personalien der dort Protestierenden mit jenen abzugleichen, die im Vorjahr bei der M31-Demo polizeilich erfaßt worden waren.
Mag der Ermittlungseifer der Behörden auch wahnhafte Ausmaße annehmen, so folgt er doch einem Kalkül: Er soll abschrecken. Die Tatsache, daß all die von der Exekutive bewußt begangenen Rechtsbrüche im nachhinein vor Gericht kaum Bestand haben dürften, ist dabei nur ein schwacher Trost. Zielführender war da die Aussage eines Bielefelder Professors für Staatsrecht, der im Interview mit der »FAZ« einen bewährten Hinweis parat hatte. Auf die Frage, was denn alles auf Demonstrationen zur Vermummung zähle, antwortete er: »Das Tragen von Motorradhelmen zum Beispiel fällt nicht darunter. Das ist Ausdruck der persönlichen Freiheit.«
Auch wenn das Tragen von Motorradhelmen auf Demonstrationen als passive Bewaffnung gilt, eine sinnvolle Maßnahme wäre es allemal. Obwohl – gegen Polizisten, die, auf das brutale Vorgehen ihrer Kollegen angesprochen und gefragt, ob sie denn Angst vor den Demonstranten hätten, mit »Nein, wenn Sie mich angreifen, erschieße ich Sie. Eine Kugel zwischen die Augen und gut is’.« antworten, dürften auch Motorradhelme keinen ausreichenden Schutz bieten.
Joel Schmidt