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Public Private Partnershit

Kay Sokolowsky über die Hamburger Elbphilharmonie und andere Geldverbrennungsanlagen 

Nichts im Kapitalismus darf von Dauer sein, alles muß so schnell wie möglich zu Ramsch werden. Die Haltbarkeit einer Ware aufs Mindeste zu beschränken, stellt bei Socken, Smartphones und anderen Modeartikeln kein Problem dar, wird bei Gebäuden jedoch zur echten Herausforderung. Schließlich fördert es das Firmenimage kaum, wenn ein Haus seine Bewohner unter sich begräbt, noch bevor der Putz getrocknet ist. Nun kommt Pfusch am Bau so häufig vor, daß es Aufsehen erregt, wenn er mal ausbleibt. Doch keine Bank würde Geld für Immobilien verleihen, wenn sie zerbröckeln, ehe die Hypotheken abgestottert sind. Um eine ordentliche Marge zu erzielen, kappt das Bauunternehmen deshalb die Arbeitskosten nach Kräften und läßt Handwerker und Lieferanten gern so lange auf Honorare warten, bis sie den Laden zusperren können. Daß Neubauten trotz beträchtlicher technischer Fortschritte heute mindestens so schnell verschleißen wie vor 100 Jahren, ist eine Folge dieser Lohndrückerei und fällt nur deshalb nicht besonders auf, weil die meisten Erzeugnisse zeitgenössischer Architektur von einer Häßlichkeit sind, die schon beim Richtfest nach der Abrißkugel verlangt.

Während das kommerzielle Ytongkleben ein gewisses Maß an Solidität gebietet, um Kapitalanleger nicht zu verschrecken, können Baufirmen bei öffentlichen Aufträgen ihr komplettes Arsenal an profitsteigernden Tricks um Einsatz bringen. Sie arbeiten, so schlecht sie können, und das können sie richtig gut. Wer für den Staat Gebäude errichtet, der bleibt nie auf offenen Rechnungen sitzen und muß Reklamationen nicht fürchten: Der Zorn auf ein Rathaus, in das es hineinregnet, richtet sich zuerst gegen den Bürgermeister und zuletzt gegen den Unternehmer. Der darf nachfordern, wie es ihm paßt, und was nicht paßt, wird passend gemacht. Für Rückendeckung in schweren Zeiten sorgt die Partei, der sämtliche Beteiligte am Bauskandal angehören. Die architektonische Verwüstung deutscher Städte hätte ohne dieses Muster marktkonformer Demokratie einige Jahre mehr gebraucht.

Seit die Kommunen ihre Gewerbetreibenden weitgehend aus der Steuerpflicht entlassen haben, können sie mangels Geld auch nicht mehr viel bauen. Damit sie es trotzdem und möglichst verfehlt tun, ist die Public Private Partnership erfunden worden. Sie gestattet den Baufirmen eine Freiheit von Verantwortung und eine Furchtlosigkeit vor Regreßansprüchen, die so bislang nur aus der Rüstungsindustrie bekannt waren. Den Kommunalpolitikern wiederum erlaubt PPP, Bauwerke in Auftrag zu geben, die niemand braucht außer dem Ego der Amtswalter. Sie schwärmen von »Leuchtturmprojekten«, und die Metapher stimmt sogar, wenngleich anders als gedacht: Was hier hochgezogen werden soll, bedeutet für jede Gemeinde, die dem Projekt zu nahe kommt, Schiffbruch. Denn selbstverständlich halten private Geldgeber, die angeblich den größeren Teil der Kosten schultern sollen, weiten Abstand von einer Investition in Seifenblasen. So bleiben das Risiko und die täglich phantastischere Zeche bei den Kommunen liegen, und die müssen für den Turmbau alles einkürzen, was den Bürgern das Leben wirklich verschönte. Zu den derzeit 866 Millionen Euro etwa, die in die Elbphilharmonie geschaufelt werden wie in eine Geldverbrennungsanlage, haben Spender und Stifter gerade einmal 77 Millionen beigetragen. Und die bekommen sie mit dem nächsten Steuerbescheid wieder gutgeschrieben.

Im Planungsstadium aber fühlen irgendein Ole oder Klaus sich wie Cheops, und so füllen sie die Städte mit gigantischen Baustellen, die wie einst die Pyramiden keinen höheren Sinn haben, als den Traum der Bauherrn vom ewigen Leben zu erfüllen. Doch nicht einmal das werden die Elbphilharmonie, S 21, BER und das Remake des Berliner Schlosses schaffen. Weil Nachhaltigkeit und Marktwirtschaft so gut zusammenpassen wie SPD und Sozialismus, ist mit der Ewigkeit dieser Gebäude spätestens zehn Jahre nach ihrer Einweihung Schluß. Dies könnte der metaphysische Grund sein, warum sie nicht und nicht fertig werden.

Während der neue Stuttgarter Hauptbahnhof und der Flughafen Berlin-Brandenburg immerhin Zweckmäßigkeit simulieren könnten, würden sie eines Tages funktionieren, weiß niemandso recht, wozu die Kopie einer zweitklassigen Barockzwingburg mit kombinierter Museums- und Freßgaß sowie ein Luxushotel mit angeschlossenem Konzertsaal nütze sein werden, außer zu gigantischen Löchern in Erde und Etat. Die kulturellen Bedürfnisse, die sie befriedigen sollen, müssen sie erst einmal erzeugen, und das fällt schwer in Zeiten, wo Bildung nur als »Rohstoff« und Kunst bloß als Wertanlage akzeptiert werden. »Hamburg baut die musikalischeZukunft«, jodelt die Homepage der Elbphilharmonie, und dergleichen ist zweifellos eine Innovation; bislang wurde Musik allenfalls komponiert. Im Ton einer Autowerbung juchzt es weiter: »Architektur der Spitzenklasse, die das Bild Hamburgs in der Welt prägen wird.« Diese Schmach hat eine Freie und Hanselstadt auch verdient, die sich folgende  auernfängereigefallen läßt: »Hier pulsiert das Leben, hier begegnen sich wirtschaftliche Ader und städtischer Geist.«

Und heraus kommt Reklameästhetik. Alles zielt auf eine Pointe, die schon beim zweiten Hinsehen ein schlechter Witz ist. Die Wellensilhouette, die das Dach der Elbphilharmonie zeichnet, spielt denkbar plump und ziemlich bescheuert auf den Ort, an dem sie steht, an. Plump, weil einem ambitionierten Architekten beim Blick aufs Wasser schon etwas mehr als»Wasser« einfallen sollte. Bescheuert, weil die Wellen im Hamburger Hafen der Rede nicht wert sind. Hier wogt es erst bei Sturmflut, und die ist eine Katastrophe sowohl für den Geist wie für die Ader der Stadt. Nun gut, ein Desaster erster Kategorie bietet gleichfalls die Elbphilharmonie seit Baubeginn, insofern haut die Symbolik wieder hin.

Das Schweizer Büro Herzog & de Meuron, das die Elbphilharmonie entworfen hat, liegt schwer im Trend, wenn es um Protzbauten geht,die nach irgendwas anderem aussehen als dem Zweck, dem sie dienen. So ähnelt das Pekinger Olympiastadion einem Vogelnest, die Arena des FC Bayern einem Schwimmreifen und die Elbphilharmonie einem Parfümflakon. Eventuellriecht die Sache darum so streng. Jedenfalls ist es keine Kunst, sondern Blendwerk, Reklame eben, einen Gegenstand so zu verkleiden, daß ihm niemand ansieht, wozu er dient. Nichts gegen Verfremdungen und doppelte Böden in der Architektur; doch wo sie Staubfänger sind, Firlefanz, Ornament, da waltet, mit Adolf Loos zu schimpfen, ein ästhetisches »Verbrechen«. Beziehungsweise das, was die Marktwirtschaft in ihrem Endstadium fürs Fortwirken und -würgen unbedingt benötigt, die Heißeluftnummer.

Im »Spiegel« durften die Bauplaner von Elbphilharmonie, BER und S 21 sich Mitte Juni für ihre gigantischen Mißerfolge herausreden. Schuld, kann man bei der Lektüre lernen, haben an Kostenexplosionen und technischen Problemen immer nur die, die bezahlen. Deppen, die diese gewagte Behauptung glauben, akzeptieren alles: »Die Leute sind, wenn es sein muß, leidensfähig «, sagt Christoph Ingenhoven, der fürden Stuttgarter Tiefbahnhof die Blaupausen lieferte. »Sie haben die Bankenrettung hingenommen. « Das ist eine Feststellung, kein Zynismus; Spitzenarchitekturarchitekten wissen Bescheid: Auf der Baustelle der Elbphilharmonie finden jeden Sonntag um 16 Uhr Gruppenbesichtigungen statt, mit regem Zuspruch. Für fünf Euro Eintritt bestaunen die Hinnehmenden, was den Kapitalismus im Kern ausmacht: Ruinenbaumeisterei.

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