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Peter Kusenberg über Amazons Pläne mit dem Streamingdienst Twitch.

 

Als Gemeinplatz der neunziger Jahre gilt die Feststellung, das Internet verdanke sein Dasein vornehmlich den Bedürfnissen nach Sex und Games. In den 2000er Jahren hat sich das Spektrum der Webangebote verbreitert. Seitdem offenbart der User Privates bei Facebook, sucht bei Google nach »Bild«-Prominenz, bestellt Krempel bei Amazon, spielt Browsergames und glotzt (Porno-)Filme auf Youtube. Und er betrachtet Videos, in denen andere Leute Spiele spielen. Das Phänomen nennt sich Let’s Play, Vorspieler wie Gronkh, Sarazar und Onkel Jo erreichen Hunderttausende Zuschauer. Sie verdienen ihren Lebensunterhalt damit, vor einem Monitor zu sitzen und mit Hilfe von Maus oder Gamepad Minecraft-Burgen zu bauen und dabei das Geschehen auf mehr oder minder unterhaltsame Weise zu kommentieren. Bei den meisten Zwölf- bis 18jährigen gelten Let’s-Play-Videos als vollwertiges Unterhaltungsangebot, denn der Konsum Hunderter Gronkhscher Minecraft-Videos vermittelt ihnen das Gefühl, sie kennten die Klötzchenwelt besser als die Taschen ihrer Loose-Fit-Hosen.

Ende August wurde bekannt, dass Amazon den Streamingdienst Twitch für eine Milliarde Dollar gekauft hat. Twitch gehört in den USA zu denjenigen fünf Firmen, die den stärksten Internetdatenverkehr verursachen. Die Firma befördert Videostreams in Millionen Haushalte, vornehmlich Videos der Sorte Let’s Play sowie Übertragungen von E-Sports-Events, also lokalen Games-Meisterschaften. Der Clou besteht darin, dass Amazon dem Konkurrenten Google zuvorkam. Der hätte genausoviel Geld gezahlt, doch da er auch Eigentümer von Youtube ist, hätte eine Twitch-Übernahme wohl selbst die indolentesten Wettbewerbshüter aufgeweckt. Mit diesem Kauf stellt Amazon die Weichen für die Zukunft: Alles, was sich digitalisieren lässt, möchte der Onlinehändler verticken: Bücher, Musik und Games via Download, danach Bauanleitungen für Kram, den der Käufer mittels 3D-Drucker zum Warenleben erweckt. Um die weltweite Kundschaft an sich zu binden, sind eigene, vollständig kontrollierbare Kanäle besser geeignet als fremde Netzwerke wie Facebook und Youtube.

Was Amazon jetzt noch fehlt, ist ein vollwertiger Spielehersteller wie die GTA-Firma Take-Two, um die sich Verkaufsgerüchte ranken. Wäre das nicht eine runde Sache: Die Spieler bestellen in Gestalt von GTA-Gangstern im virtuellen Liberty City ihre Bauanleitungen für Knarren, die ihnen Amazon mittels Drohne vor die Haustür liefert. Dann müsste Google nachziehen, etwa mit Augmented-Reality-Brillen für In-Game-Shopper. Und was macht Apple? Organ-Monitoring via I-Watch als Massive-Multiplayer-Game. Yeah!

Peter Kusenberg

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