Osnabrück strickt sich ein Image als Friedensstadt. Von Timo Sander
Wie sorgen die Mütter und Väter einer Provinzstadt für Aufmerksamkeit? Natürlich mit einer Imagekampagne. Osnabrück hat sich, in Erinnerung an den Westfälischen Frieden von 1648, zur »Friedensstadt« ernannt und dafür einen bekannten Sohn der Stadt postum in die Pflicht genommen, den Autor des Romans Im Westen nichts Neues, Erich Maria Remarque. So gerüstet, konnte die Friedensstadt, die bis zum Abzug der britischen Armee 2009 Garnisonsstadt war, das Jubiläum des Ersten Weltkriegs begehen.
Auch Kunstaktionen gehören zum Erinnerungszirkus. In seinem Projekt »Damals nicht, jetzt nicht, niemals!« setzt der in der Region weltbekannte Volker-Johannes Trieb ganz auf Zahlenmystik und simple Symbolik: 32 von Schrapnellen des Weltkriegs gezeichnete Eichenblöcke, die die 32 Signatarstaaten des Versailler Vertrages darstellen, beschriftet mit 32 Zitaten aus dem sechsten Kapitel Von Im Westen nichts Neues, in dem wiederum die 32 eine Rolle spielt.
32 weitere Holzblöcke liegen auf einer durch weißrotes Flatterband, das Remarques Satz »Und langsam häufen sich auf dem Feld die Toten« trägt, umgrenzten Fläche von 20 mal 20 Metern. Die Zahl 20 stehe, so der Künstler, für die 20 Millionen Toten des Weltkriegs. Tilman Westphalen, Ehrenvorsitzender der Erich-Maria-Remarque-Gesellschaft, findet dieses Mahnmal »äußerst aktuell«: »Ich brauche nur nach Gaza zu gucken, da haben wir genau das, was im Ersten Weltkrieg los war. Die Israelis massakrieren. Die Hamas schickt dagegen. Wir haben Häuserkampf, und die Opfer sind die Zivilisten. Der Unterschied: ... Das waren Soldaten damals, und jetzt sind es immer mindestens zehn zu eins, Zivilisten zu Soldaten.«
Die wichtigste Zahl im Erinnerungskosmos der Stadt ist aber die 6.000. Soviele Paar Socken wurden einst in der Stadt für die Front gestrickt, soviele sollen nun für den Frieden produziert werden. Falls der Frieden eines Tages doch noch aus- oder vielmehr anbricht, bekommt er in der Friedensstadt wenigstens keine kalten Füße.
Timo Sander