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Zum 25. Jahrestag des Mauerfalls

Mauern sterben aus. Überall auf der Welt werden die armen Betongeschöpfe durchbohrt, zerfetzt, als Symbole der Unterdrückung verteufelt – und doch ist unsere Welt keine freiere geworden, seit sie begonnen hat, sich ihrer Mauern zu entledigen. Tatsächlich wird oft nur das Material gewechselt. Vermehrt wird jetzt mit Glas gearbeitet; neue Bauverfahren erlauben Konstruktionen von niegekannter Kühnheit. Doch mit Recht schmäht man die neuen Bauten als Aquarien – sind Glasmauern doch in Wahrheit genauso undurchdringlich wie Beton, ja härter sogar, zählt man nanotechnologisch verstärktes Glas hinzu. Und sie erlauben zudem perfekte Kontrolle.

Dagegen die Mauer! Aus gutem ehrlichen Betonfelsen gezimmert, regte sie stets auch die Phantasie und das Träumen an, auf beiden Seiten. Wie’s drüben wohl aussieht? Wie die so leben? Die herzlichen Momente zur Wiedervereinigung, sie wären wohl ausgeblieben, wäre die Mauer aus Glas gewesen, denn dann hätte man ja schon immer gewußt, welches Pack dahinter lauert. Auch hierin war unsere Mauer ein Monument der Menschlichkeit, der Toleranz und der Mäßigung.

Schmerzlich vermisst wird die Mauer auch im Kampf gegen die von überall heranbrandende Brut der Unterprivilegierten, die nichts lieber täten, als wie die Heuschrecken über Europa herzufallen und alles aufzufressen. Jetzt muss man sie noch einzeln aus dem Boot schießen, ein unfassbarer Aufwand. Um wieviel klarer war da die Mauer, ein steinernes »Bis hierhin und nicht weiter«! Mauern sind eine Sprache, die jeder versteht. Lasst uns Mauerreservate errichten und in Mauerparks wiederaufmauern! Lasst uns die letzten Mauern dieser Erde retten!

- Leo Fischer -

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