LINKS & RIGHTS
Ein bißchen typisch ist schon, was aus dem right to be forgotten, das der Europäische Gerichtshof Internetnutzern zugesprochen hat, die sich in ihrer Privatsphäre verletzt fühlen, in deutschen Medien wird: Dort bejubelt man seit der Urteilsverkündung das »Recht auf Vergessen«, das sich natürlich nur zufällig so anhört wie das notorische nachkriegsdeutsche »Irgendwann muß doch mal Schluß sein«.
In Wahrheit handelt es sich bei dem, was Google derzeit umsetzt, um das Recht auf Vergessenwerden – angestoßen durch die Klage eines massiv verschuldeten Spaniers, dessen Haus im Jahr 1998 zwangsversteigert wurde. Der Mann argumentierte vor Gericht, daß ein detaillierter Artikel in einer großen Boulevardzeitung über seinen Fall gelöscht werden müsse, weil es sich dabei um eine massive Verletzung der Privatsphäre handele. Die Richter gaben ihm recht – und nun können Zigtausende Opfer von Mobbing, Rufmord und übler Nachrede im Internet per Webformular beantragen, daß das, was ihr Leben oft zur Hölle macht, verschwindet.
Ob sie dadurch wirklich auch vergessen werden, ist jedoch zweifelhaft, denn die jeweiligen Webseiten werden bei der Namenssuche nur einfach nicht mehr angezeigt, während der Inhalt nach wie vor online ist und die entsprechenden Links weiterhin verbreitet werden können. Außerdem wird Google kenntlich machen, daß Content zwar vorhanden ist, aber nicht angezeigt werden darf, wie das jetzt schon bei einigen wenigen Nazi-Seiten geschieht.
In solchen Fällen erscheint eine Erklärung, daß aus rechtlichen Gründen ein Link nicht angezeigt wird, verbunden mit einer kurzen Erklärung, wann dies geschieht.
Ob das alles den von Gleichaltrigen gemobbten Jugendlichen wirklich hilft, die stets angeführt werden, wenn es ums Recht auf Vergessenwerden geht? In Großbritannien stammen derzeit mehr als die Hälfte aller Anträge an Google von Straftätern, die zum Beispiel in Berichten über ihre Gerichtsverhandlungen namentlich genannt worden waren und die nun, nach ihrer Entlassung aus dem Gefängnis, nicht wollen, daß mögliche Arbeitgeber oder Vermieter via Google Details aus ihrem Vorleben erfahren. Genau die dürften aber größtes Interesse haben, die mit dem Vermerk »aus rechtlichen Gründen« nicht angezeigten Informationen zu sehen – was vermutlich, wie jede Neuerung im Internet, zu einem eigenen Geschäftszweig führen wird. In den USA, wo Meinungsfreiheit weiter gefaßt ist als in Europa, werden die Suchergebnisse auch künftig für jeden sichtbar sein.
Und so wird es nicht lange dauern, bis spezielle Proxys für die Google-Suche, die vortäuschen, daß der Nutzer keine europäische IP verwendet, angeboten werden. Oder bis Firmen entstehen, die gegen eine geringe Gebühr in den USA googlen – das Recht, vergessen zu werden, ist schließlich keineswegs global.
– Autorin: Elke Wittich –