Die Zahl der Menschen in Deutschland mit geschlossenem rechtsextremen Weltbild sei deutlich zurückgegangen – sagt eine aktuelle Studie der Universität Leipzig. So vermitteln es die Headlines der Zeitungen und Newsportale dieser Tage, die über jene Studie berichten. Zumindest sieht’s auf den ersten Blick so aus, die übrigen Ergebnisse der Untersuchung müssen sich deshalb für einen Augenblick hinten, im Schatten der guten Nachricht, anstellen. Sieht man genauer hin, relativiert sich die Erfolgsmeldung.
Erstmals finden sich Items in der Umfrage, die sich gezielt mit der Haltung der Deutschen zu Asylsuchenden, zu Migranten, Muslimas und Muslimen, Sinti und Roma beschäftigen. Den Antworten zufolge lehnen etwa 75,4 Prozent der Befragten Forderungen ab, der Staat solle großzügig bei der Prüfung von Asylanträgen vorgehen. Vergleichbare frühere Untersuchungen
verzeichneten hier noch einen Wert von 25,8 Prozent. An die Stelle der Unterordnung unter eine personelle Autorität ist die unter eine sekundäre, die der Wirtschaft, getreten, sagt die Studie, und das »Primat des Ökonomischen« trägt Früchte, die ungenießbar sind. Demnach wird die Wahrnehmung von Migrantinnen und Migranten weitestgehend davon bestimmt, ob sie zu Deutschlands wirtschaftlicher Prosperität beitragen. So geht das hierzulande sehr beliebte Programm »Gute Ausländer / schlechte Ausländer« in die Verlängerung. Nach Erhebungen des International Social Survey Programme, so zitiert die Studie, identifizieren sich die Deutschen mehr als andere Nationalitäten mit ihrer Wirtschaft. Stolze 42,7 Prozent der Befragten fühlen sich dennoch »wie ein Fremder im eigenen Land«.
Bei einem Wert, der stracks auf die repräsentative Hälfte der Bevölkerung zugeht, ist es ein beinahe schon tragischer Umstand, daß die Inhaber dieser Überzeugungen nichts voneinander zu wissen scheinen. Mögen die klassisch rechtsextremen Ideologeme von populistischeren und ökonomischer argumentierenden überholt worden
sein – der Maßstab der Verwertbarkeit, angelegt an Menschen und an Gruppen von Menschen, liefert die gleichen Ergebnisse. Nationalismus und Rassismus haben immer noch beste Quoten, darüber täuscht auch die positivste Headline nicht hinweg. Einer anderen repräsentativen Umfrage zufolge sind 27,5 Prozent der Befragten der Meinung, Deutschland sei in einem gefährlichen Maß
»überfremdet«, und die Aussage »Eigentlich sind die Deutschen anderen Völkern von Natur aus überlegen« stößt immerhin bei 13,2 Prozent auf Zustimmung. Ob diese Aussagen auf ein geschlossenes rechtsextremes Weltbild hinweisen, prüfen derzeit noch die Forscher der Universität Leipzig.
– Fabian Lichter –