Wer ihm wohlwollte, wahrte Distanz. In den vierzig Jahren, durch die Helmuth Jipp dieser Zeitschrift und ihrem Herausgeber juristisch beistand, blieb es auch dann noch beim »Sie«, als er längst ein Freund war. Nur einmal wich er davon ab, als seine Frau Renate Maria Spingler, Mezzosopran an der Hamburgischen Staatsoper, in einem Ständchen für Gremliza Marlene Dietrichs Johnny, der da Geburtstag hat, auch in seinem Namen durch Hermann ersetzte. Als er in den Siebzigern nach dem Helden einer Anwaltsserie von einem Autor der bella figura wegen, die er stets machte, der »KONKRET-Petrocelli« genannt wurde, tat man ihm einen Tort an. Er wollte mit Herr angesprochen werden, und er war einer aus dieser sehr raren Spezies.
Die ersten zwanzig Jahre gewann er für KONKRET und seine Autoren so gut wie jede Schlacht: gegen Kölns furchtbaren Richter Victor Henry de Somoskeoy, der den Autor Henryk Broder und den presserechtlich verantwortlichen Gremliza wegen Beleidigung angezeigt hatte; gegen den SPD-Führer Herbert Wehner; gegen den CSU-Politiker Gusti Lang; gegen Strauß, Gauweiler, das bayerische Staatsministerium für Wissenschaft und Kunst; gegen Thomas Schmid und Daniel Cohn-Bendit, den mißratenen Nachwuchs, an dessen Sturm- und Drangzeit nichts mehr erinnert als die schlechten Manieren, und dem er deshalb durch das Hamburger Landgericht das Taschengeld in vierstelliger Höhe kürzen ließ; gegen die Verleger Springer, John Jahr, Bucerius, Bauer, gegen »Bild« und die Westberliner »Kinder-FAZ« vor und nach ihrer Verlobung und ungezählte andere.
Nach der Wende richteten die Winde des Wandels auch die Fähnchen der Gerichtsbarkeit neu aus. Es wurde auf- und abgeräumt. Den jovial-reaktionären Vätern, die wenigstens in Kleinigkeiten auch mal zu einer großzügigen Auslegung des Grundgesetzes kommen konnten, war eine Generation der Streber gefolgt, die ihren Klassenauftrag bis heute mit Übereifer erfüllt. Wurde seine Hilfe gebraucht, und das war alle zwei, drei Monate der Fall, gab Jipp den besten Rat und, weil es ja auch um sein KONKRET ging, ohne Honorar. Am 3. Juli ist Helmuth Jipp in Hamburg gestorben.
Etwa zu dieser Jahreszeit fuhr KONKRET-Autor und Konki-Hausdichter Horst Tomayer alljährlich seine legendäre Hamburg-Berlin-Tagestour mit dem »27-Gänger der Marke Stevens«. In die Gegenrichtung, von West-Berlin nach Hamburg, war er schon am 12. Oktober 1976 mit dem Veloziped unterwegs (nachzulesen in KONKRET 1/77). Die Grenzpolizisten von Ost und West staunten damals nicht schlecht:
Grenzpolizist Berlin (West): »Watten, watten, mittem Rad? Möcht ick bezweifeln.«
Transit-Radfahrer: »Ich frag mal drüben nach.«
Grenzpolizist DDR: »Hallo, hallo, watt denn, wie denn?«
Transit-Radfahrer: »Nach Hamburg.«
Grenzpolizist I DDR: »Aber doch nicht die falsche Spur. Hier rüber!«
Grenzpolizist II DDR:»Bin ja jespannt, ob Se det ooch schaffen.«
Transit-Radfahrer: »Es muß sein!«
Grenzpolizist II DDR: »Spur 3.«
Seit 2005 fuhr Tomayer dann jährlich die »Fahrradwallfahrt HH/Westberlien an einem Tag«. Achtmal hatte er seither die 292 Kilometer »von sunrise bis sunset streckenpolitisch der Erledigung zugeführt«. Im Jahre 2012 fand seine letzte Tour statt. Die Redaktion möchte den Vorschlag einiger Leser und Leserinnen unterstützen, eine »Tomayer-Gedenkradfahrt HH/Westberlin« zu veranstalten.
Wer an einer solchen Tour teilnehmen möchte, schreibe bitte eine E-Mail an folgende Adresse: verlag@konkret-magazin.de – oder einen Brief an: Konkret-Redaktion, Postfach 50 04 09, 22704 Hamburg. Die Redaktion wird die Interessierten zusammenbringen.
Da es Hobbyradlern und Freizeitsportlern nicht zuzumuten ist, die gesamte Tour, wie es der Ex-Linksaußen der SpVgg Wildenroth (Ammersee-C-Klasse) zu tun pflegte, an einem einzigen Tag runterzureißen, kann die Wegstrecke gern auch auf zwei Tage verteilt werden.