Es deutschtümelt sehr in der NSA-Debatte. Von Peter Nowak
Nachdem sich die letzten NSDAP-Mitglieder in Deutschland aus Altersgründen aus der aktiven Politik zurückgezogen hatten, schwadronierten ihre politischen Erben am rechten Rand von der Besetzungsmacht USA. In den Bundestagsparteien vermied man zumindest öffentlich solche Töne. Doch längst zerbröselt der zivilisatorische Tarnanstrich, und auch Politiker der Regierungsparteien schwätzen nun angesichts der NSA-Affäre wieder so, wie es in der »Nationalzeitung« und ähnlichen Blättern schon immer gedruckt war.
»Die Amerikaner halten sich ganz offenkundig nicht daran, daß man Verbündete nicht ausspäht. Sie führen sich in Deutschland auf wie eine digitale Besatzungsmacht«, lamentierte etwa der langjährige CSU-Abgeordnete Hans-Peter Uhl und wurde dafür als Tabubrecher gefeiert. Schließlich hat er bewiesen, daß man nun auch wieder den USA und nicht nur den Russen deutlich machen kann, daß man ihnen den Sieg im Zweiten Weltkrieg mißgönnt. Widerspruch war in Deutschland nicht zu hören. Woher auch? Man kennt eben in der NSA-Debatte hierzulande keine Parteien mehr, sondern nur noch Deutsche, die über fehlende Souveränität sowie Duckmäusertum und Hasenfüßigkeit klagen. Das war denn auch der Stoff mehrerer Parlamentsreden von Gregor Gysi und seinen Parteifreunden. »Wir haben heute nicht mehr 1945, sondern 2014«, rief er in den Parlamentssaal, was durchaus wie eine Drohung klang. Als konkrete Maßnahme schlug er vor, Mitarbeiter der Botschaften der USA und Großbritanniens zu unerwünschten Personen zu erklären. Erst wenige Wochen später ließ die Bundesregierung einen US-Geheimdienstmitarbeiter ausweisen. Doch damit sind führende Politiker der Linken noch nicht zufrieden; sie verlangen mehr Engagement im deutschen Souveränitätskampf.
Dazu werden häufig jene Kapitel aus dem von Josef Forschepoth herausgegebenen Buch Überwachtes Deutschland herangezogen, in denen es um die Rechte alliierter Geheimdienste geht. Die Kapitel, in denen der Historiker beschreibt, wie BRD-Dienste jahrelang Zigtausende Postsendungen aus der DDR öffneten, überwachten und teilweise sogar vernichteten, bleiben unbeachtet. Damit läßt sich schließlich keine Stimmung gegen die USA machen.
In der kurzen Zeit der Münchner Räterepublik veröffentlichte ihr Ministerpräsident Kurt Eisner 1919 Geheimdokumente der gestürzten bayerischen Monarchie. Einige Monate zuvor hatten schon die Bolschewiki viele Geheimabkommen des Zarismus bekanntgemacht und damit auch deren Verbündete kompromittiert. Es gab also schon mal Linke, denen die Geheimnisse der herrschenden Klassen, ihrer Dienste und Kabinette herzlich egal waren. Da es die einstweilen in Deutschland nicht gibt, muß man der NSA fast dankbar sein, daß sie die hiesige Politik so kritisch beäugt.
– Peter Nowak –