Eine Begriffsklärung. Von Svenna Triebler
… beschworen die Bundeskanzlerin, ihr Innen- und ihr Justizminister unisono auf den rechten Mob in Heidenau herab. Sie schlossen sich damit der langen Reihe derjenigen an, die den Begriff so konsequent falsch verwenden, dass der Öffentlichkeit nicht einmal auffiel, welchen Unsinn die drei Politiker da von sich gaben.
Notorische Internetvollschreiber verwechseln »Rechtsstaat« ohnehin mit »Ich habe nicht nur recht, sondern auch einen Anwalt«; noch verbreiteter ist allerdings der Irrtum, den die Politprominenz weiterzuverbreiten half: Vielleicht liegt es am ersten Wortteil und vielleicht auch an der Angewohnheit der Linken seit ’68, diese erste Silbe sarkastisch zu betonen, vor allem aber dürfte der langjährige Sprachgebrauch von Innenpolitikern und Polizeivertretern daran schuld sein, dass »Rechtsstaat« weithin als Synonym für »Staatsgewalt« gilt.
Nun gut, Angela Merkel ist gelernte Physikerin, und ein Crashkurs in Staatsrecht gehört wohl nicht zu den erforderlichen Qualifikationen für den Kanzlerjob. Wenigstens aber die Juristen Thomas de Maizière und Heiko Maas sollten schon einmal davon gehört haben, was das Prinzip des Rechtsstaats tatsächlich bedeutet. Nämlich das Gegenteil von dem, als was es so inflationär missverstanden wird. Kurz zusammengefasst: 1. Der Staat steht nicht über dem Gesetz, sondern hat sich selbst daran zu halten. 2. Auch und gerade gegenüber seinen Insassen. – Keine allzu schlechte Idee also. (Wer wissen möchte, wie es mit ihrer Umsetzung aussieht, möge sich allerdings Statistiken zu Gemüte führen, wie viele Anzeigen gegen Polizeibeamte wegen Körperverletzung im Amt zu Verurteilungen führen. – Spoiler: ein niedriger einstelliger Prozentsatz.)
Nun lässt sich küchenpsychologisch recht einfach erklären, warum gerade Angehörige der diversen Staatsorgane so anfällig dafür sind, »Rechtsstaat« mit »Der Staat hat recht« zu verwechseln. Und man soll ja nie Bösartigkeit unterstellen, wo Dummheit als Erklärung ausreicht: Es ist ja auch fast egal, ob sich Merkel, Maas und de Maizière der fahrlässigen oder der absichtlichen Begriffsverdrehung schuldig machen – ihr Staatsverständnis demonstrieren sie damit so oder so. Und letztlich trifft die Orwellsche Umdeutung des Begriffs die Realität ja auch viel besser.
Svenna Triebler