Peter Kusenberg über den Kampf deutscher Verlage gegen Adblocker
Die Bigotterie sogenannter konservativer Politik zeigt sich wunderbar deutlich bei der Liberalisierung des deutschen Fernsehmarktes im Jahre 1984. Die Kohl-Regierung half kapitalmächtigen Medienbetrieben beim Geldscheffeln und gewann neue propagandistische Sprachrohre. Im Gegenzug nahm sie den Verfall der Fernsehsitten, wenn nicht gesellschaftliche Verrohung in Kauf, und sie duldete das massenhafte und serielle Auskübeln von Werbefilmchen und -einblendungen übers TV-Publikum. Auf ähnliche Weise vollzog sich die Umwandlung des Internets von einem werbearmen und teilweise dissidenten, zumindest in den frühen neunziger Jahren dezent anarchischen Gemischtwarenladen zu einem vornehmlichen Werbeträger und mithin zur zweitdümmsten »Blödmaschine« (Georg Seeßlen).
Beinahe alle Akteure in Politik und Wirtschaft befördern diese Entwicklung, gemäß des zeitlosen Satzes aus der Dialektik der Aufklärung, Reklame sei »heute ein negatives Prinzip, eine Sperrvorrichtung …: Alles, was nicht ihren Stempel an sich trägt, ist wirtschaftlich anrüchig.« Verlage refinanzieren heutzutage ihre Online- Angebote auf die gleiche Weise wie TV-Sender ihr Programm refinanzieren: mit Reklame. Doch die Zuschauer und Leser und Zuhörer, deren Köpfe als Aufnahmegefäße für den Mediensumms gedacht sind, überblättern undankbar in gedruckten Zeitschriften die Anzeigenseiten, zeichnen TV-Sendungen mit Videorekordern auf, um mittels Fast-Forward-Knopf die Werbeunterbrechungen zu überspringen. Sie lassen sich auf Onlinemedienseiten kaum mit Barmen und Betteln zum freiwilligen Zahlen bewegen, und vor allem aktivieren sie Werbeblocker in ihren Browsern, damit nicht Layer, Pop-ups und Banner den zerstreuten Blick auf die werbefreundlichen Inhalte behindern.
Einer der meistverbreiteten Werbeblockierer heißt Adblock Plus. Die Kölner Firma Eyeo produziert das Zusatzprogramm, das in Browsern wie Chrome, Firefox und Opera die überwiegende Webseitenwerbung unterdrückt. Die Werbeblockade gelingt, indem Adblock Plus Elemente einer Webseite versteckt oder indem das Programm bestimmte Instanzen eines Werbewebservers, sogenannte Ressourcen, blockiert. Zu diesen Instanzen gehören Drittanbieter wie Googles Anzeigendienst Adsense und Doubleclick, die den Werbeverkehr bei Spiegel Online, SZ Online und Fixundfoxi.tv regeln, den Seitenaufbau mittels Layern, Pop-ups und Bannern verlangsamen und den affirmativen Quatsch im »SZ«-Wirtschaftsressort mit Blinken und automatisch abgespielten Videos aufpeppen. Als Gegenspieler jener Werbepest betreibt Eyeo sogenannte Whitelists, also Listen mit zulässiger Werbung, was der Anbieter mit dem fehlenden Nervensägpotential zulässiger Werbung oder mit deren Gemeinnützigkeit begründet. Die Verlage und deren Lobbyverbände hingegen zeihen Eyeo der Erpressung und behaupten, die Firma ließe sich die Aufnahme eines Werbeangebots in die Whitelist bezahlen.
Bereits vor einem knappen Jahrzehnt zogen große deutsche Fernsehsender gegen die Anbieter von Onlinevideorekordern vor Gericht. Im Winter 2012/13 untersagte die französische Regierung dem Provider Freebox, standardgemäß Adblock Plus in sein Angebot zu integrieren. Damals rechtfertigte Freebox sein Angebot damit, dass die Provider die Kosten für die Internetinfrastruktur trügen, die Google, Facebook & Co. unentgeltlich für ihr werbebasiertes Geschäft verwendeten. Freebox gewann mit Adblock Plus Sympathien bei den Nutzern und beförderte dessen Verbreitung, ähnlich wie die Firma Apple, die seit diesem Herbst den I-Phone-Nutzern die Werbeblockierung via zentraler Einstellung erlaubt.
Die deutschen Verlagsmanager, vorrangig Springers Herrenreiter Mathias Döpfner, hadern noch immer mit ihrer Niederlage bei der flächendeckenden Durchsetzung des Leistungsschutzrechts wider Google & Co. Jetzt hindert Springer Leser und Zuschauer daran, Bild.de und Welt.de und die anderen vorzüglichen Springer-Medienofferten zu goutieren, solange ein Werbeblocker aktiv ist. Wer einen Werbeblocker verwendet und dennoch Bild Online gucken möchte, muss ein Abo abschließen und monatliche Gebühren für den freien Blick aufs Bild.de-Angebot zahlen. Der naive Zeitgenosse mag jubeln ob des Springer-Versprechens, dass »wir ohne Erlöse aus dem Verkauf von Werbeplätzen die Arbeit unserer Journalisten nicht finanzieren können«, mithin die Existenz des größten Drecksblatts Europas auf dem Spiel stehe. Tatsächlich beschwört Springer die nationale Einheit, mimt das arme Opfer des digitalen Wandels und ringt so der Kanzlerin auf der diesjährigen Tagung der Zeitschriftenverleger das Versprechen ab aufzupassen, »dass der Datenschutz nicht die Oberhand über die wirtschaftliche Verarbeitung gewinnt«. Denn der Bestand der deutschen Medienhäuser im »internationalen Wettbewerb« stehe auf dem Spiel. Springer ist nicht allein mit seiner Antiblockiererei; auf Geo.de muss der Nutzer ebenfalls zahlen, wenn er mit Adblock Plus Regenwaldbilder begucken möchte. Die meisten Verlagsmanager beobachten Springers Vorstoß mit Skepsis, denn sie wissen, dass kaum jemand freiwillig für anderswo kostenlose Inhalte zahlt, solange diese aus werbeaffinem und mitunter brunzdummem Quark bestehen, wie neulich das Ägypten-Quiz der Online-SZ, das mit der Frage lockt: »Wie gut kennen Sie das Land am Nil?«
Juristisch ist die Blockade der Werbeblocker umstritten, obwohl das Landgericht Hamburg die Adblock-Sperre jüngst als »Softwareverschlüsselung « bezeichnete, deren Umgehung unrechtmäßig sei. Deshalb erwirkte Springer eine Verfügung gegen die Eyeo GmbH: Sie darf keine Filterlisten verbreiten, die eine Umgehung der »Bild«- Werbeblockersperre ermöglichen. Nachdem der Youtuber Tobias Richter eine Anleitung zu einer Umgehung der »Bild«-Sperre veröffentlicht hatte, erhielt er einen Brief von Springer mit juristischen Drohungen. Setzt sich die Haltung des Hamburger Gerichts durch, gleicht sich das mediale Online-Angebot dem statischen Fernsehangebot an, das kein Mensch manipulieren kann und manipulieren darf. Der Internetnutzer wird zum Rezipienten, der maximal einen Kommentar im Forum veröffentlichen darf.
Die Verlagsmanager haben zur Monetarisierung ihrer Online- Inhalte ein weiteres Ass im Ärmel: Der DJV-Vorsitzende Michael Konken erklärte gegenüber dem Mediendienst Kress, eine »Haushaltsabgabe für Print- und Onlinezeitungen« nach dem Vorbild der Rundfunkgebühren sei erwägenswert, was im Jahre 31 nach der Einführung des Privatfernsehens und der folgenden Verdumpfung von ARD und ZDF durchaus ins medienpolitische Gefüge passte. Nötig wäre es nicht, wie Springers jüngste Geschäftszahlen zeigen, die das Medienportal Meedia so zusammenfasst: »Springer-Ergebnis: Digital boomt, Print verliert, das Medienhaus bleibt hochprofitabel.«