Gewaltfrage
Schon als Teenager mit euch in Berührung gekommen und seit 1987 jede Ausgabe gesammelt, habt ihr mir mein Leben gründlich versaut: Wo ich hinkomme, bin ich, wenn’s um Politik und Deutschland geht, das unduldsame, rechthaberische und am Schluss einsame Arschloch. Wundert mich, dass ich nicht öfter aufs Maul bekommen habe. Aber lieber so als andersrum, hätt’ auch können kommen dumm!
Egges, Heilbronn
Aufklärung
Seit den siebziger Jahren fast durchgängig immer wieder konkret. Nach der Übernahme der DDR und dem siegestrunkenen Zugriff auf die Regionen der Welt, die eigentlich schon seit mindestens Ende des 19. Jahrhunderts unter die deutsche Oberherrschaft gehören, hat konkret seine eigentliche Bestimmung gefunden: immer wieder auf die historischen Bezüge aufmerksam zu machen. Monat für Monat und unermüdlich gegen die um sich greifenden nationalistischen Wahnideen anschreiben.
Der Schoß ist fruchtbar noch, da dürfen wir uns keine Illusionen machen. Die politischen und medialen Reaktionen auf G20- Randale, Flüchtlinge und Finanzkrise sind Ausweitung der Repression, polizeilich und militärisch unter beifälliger Unterstützung des hart arbeitenden ehrlichen Steuerzahlers, der sich immer weniger gehindert fühlt, seine wahren Ansichten über die Linken und Ausländer auf den Leserbriefseiten zur Kenntnis zu geben.
Ob einem konkret nun gefällt oder nicht, ob man Standpunkte teilt oder nicht, als monatliches Presseorgan müsste die Zeitschrift unter strengsten Artenschutz gestellt werden.
Jochen Hanisch, per E-Mail
Totalität
Nach dem Abitur las ich meine erste konkret im Flugzeug nach Ecuador. Mit ihr im Gepäck: Das Kapital I, Dialektik der Aufklärung und »L’État et Moi«. Danach waren sämtliche Reste des revolutionären Antiimperialismus politisch erledigt, und bis heute schätze ich das Blatt vor allem dort, wo der größte Rest in arabischen Aufständischen keine Islamisten und in ostdeutschen Bürgerprotestlern keine Nazis sehen will.
Ely Meyer, per E-Mail
Determinismus
Mein liebstes Monatsmagazin wird 60?! Ich werde von dieser Nachricht zwar etwas überrascht, aber wahrscheinlich bin ich innerlich nur davon eingelullt, dass konkret die Prä- Gremliza-Jahre heutzutage selbst möglichst weit von sich weist. Doch Feste sollen gefeiert werden, wie sie konstruiert werden. Deshalb schreibe und rufe ich: Happy B-Day, konkret!
Die Freude an konkret beginnt für mich meistens schon mit dem Titelblatt. Die ironischen Motive und die pointierten Themen- Teaser animieren mich dazu, das Magazin im Pausenraum herumliegen zu lassen oder es demonstrativ in der Bahn zu lesen, wenn ich mich mal wieder nach schlimmen Diskussionen mit stinknormalen Menschen sehne. Ich genieße allerdings nicht nur die Provokationen, die mir konkret ermöglicht, sondern auch die Artikel. Nur selten muss ich mich über sie ärgern. Dagegen verursacht die Leserbriefseite bei mir ziemlich regelmäßig schlechte Laune. Doch ich nehme es Euch nicht übel, liebes konkret-Team, denn Ihr könnt Euch Eure Leser nicht aussuchen. Und es gibt auch eine gute Methode, mit dem Heft meine Stimmung direkt wieder zu heben: gremlizas express. Dort zeigt Hermann, wie gut seine Kolumne sein könnte. Ich gebe zu, dass sie es manchmal auch ist, aber sie könnte es noch öfter sein. Gibt es schon gute Vorsätze für die Zukunft?
Einen besonderen Dank möchte ich noch für die emsige Korrektur bis zum Redaktionsschluss aussprechen. In jeder anderen Zeitung finde ich mehr Rechtschreibfehler. Merci! Ich trinke jetzt noch ein Herrengedeck auf das Herrenmagazin. Cheers, auf die nächsten 60 Jahre! Oder bis zur Revolution, denn da stehen wir wahrscheinlich alle nebeneinander an der Wand.
Jonathan Cremon, per E-Mail
Flaschenpost
Vor über 20 Jahren beobachtete ich während einer Fahrt auf einem Ausflugsdampfer einen Oberstudienrat meiner alten Schule bei intensiver konkret-Lektüre. »Sie lesen ja linke Kampfpresse!«, warf ich ihm an den Paukerkopf. »Stimmt«, entgegnete er, »aber da steht vieles drin, was woanders nicht steht.«
Neugierig geworden, kaufte ich mir tags darauf das aktuelle Heft und stellte fest, dass der Lehrer nicht übertrieben hatte. Seitdem lese ich diese Zeitschrift, wenn auch nie komplett (zu wenig Zeit!). Ich freue mich darüber, dass hier meine Vorurteile hinterfragt werden, ich lache über den Wortwitz und ärgere mich über Autoren wie den Herrn Gremliza, dessen Gedankenblitze mich so oft unter Strom setzen, dass es weh tut. In dieser Zeitschrift kann ich nie ausruhen (dafür ist der »Spiegel« da).
Ohne konkret wäre ich nicht völlig blöd, aber deutlich dümmer. Dank dieser Zeitschrift werde ich wohl kaum so enden wie Jürgen Elsässer, der zwar auch konkret-Leser war, über den zu ärgern sich jedoch längst nicht mehr lohnt, und wenn beim Bäcker ein rechter Wirrkopf lauthals alle Politiker an den Galgen wünscht, widerspreche ich ihm mit klaren Worten. Ein Held der Revolution werde ich nie, aber sollte sie dereinst kommen, werde ich sie wenigstens ein bisschen verstehen. Denn diese Zeitschrift erinnert mich jeden Monat daran, dass eine bessere Welt nicht nur möglich, sondern nötig ist, trotz Merkel-Raute, Gratis-»Bild« und Schnäppchenpreisen im Discounter.
Martin Petersen, per E-Mail
Linksruck
Mit konkret komme ich der Wahrheit näher als mit anderen Zeitungen, wenn auch oft schmerzhaft, doch so ist das Leben. Horst Tomayer mit seiner einzigartigen lyrisch-kämpferischen Fähigkeit, die ermutigend war und entspannen konnte, rührte mich tief an, und ich zehre weiterhin davon.
Danke konki, danke Tomy! Sie haben mich menschlich wachsen lassen.
Karin Heinrich, Berlin
Emanzipation
Als konkret 1957 zum ersten Mal unter diesem Titel erschien, waren meine Eltern noch Kinder. Als 1982 in sport konkret Gremliza über sich selber als den Robert Schlienz von Gerlingen schrieb und über den richtigen Robert Schlienz, den aus Cannstatt, gab es mich zwar schon, aber ich konnte noch nicht lesen und schreiben. Ich wuchs in einem kleinen Dorf in der schwäbischen Provinz auf. Die Familie schaute den »Musikantenstadl« an mit Karl Moik und dem Hiasl, der Opa las Landserhefte. Man ging auf die Hocketse des Musikvereins, aß Zwiebelkuchen, rote Würste und Schnitzel »so groß wie ein Scheißhausdeckel «. Aids hieß in der Familiensprache »Ätsch«, denn man freute sich, dass es besonders die Schwulen traf. Keine guten Voraussetzungen also für mich, trotzdem kam ich aufs Gymnasium.
In der Teenagerzeit ließ ich mir die Haare lang wachsen, und die Onkels, Tanten und Großeltern boten mir 100 Mark für den Gang zum Friseur. Meine wachsende Neigung zur Widerrede erklärte meine Tante mit dem Satz: »Das bringt er alles vom Gymnasium.« Das war in den neunziger Jahren. In der nächsten Kleinstadt ging ich nicht nur zur Schule, sondern auch ins Jugendhaus und dann in eine »gut unbürgerliche« (so hieß es auf der Getränkekarte) Bierkneipe, die im Kollektiv betrieben wurde. Dort gab es neben mehreren Tageszeitungen auch »Titanic« und konkret.
Ich las darin herum und war erstaunt: Ich verstand kaum, was da stand, aber ich wusste, dass es irgendwie unglaublich radikal und schlau war. Nach einiger Zeit kaufte ich mir die Hefte am Kiosk, denn ich wollte sie in Ruhe daheim lesen. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass es Leute gab, die es schafften, so ein Heft innerhalb eines Monats durchzustudieren. Doch es ging immer besser, und schließlich abonnierte ich konkret. Heute lese ich in der Landesbibliothek oder per konkret-CD die ganz alten Hefte nach; manchmal schenke ich jemandem ein Heft als Leseprobe, in der Hoffnung, der Funke zündet; oft mache ich unter Bekannten Werbung für konkret, indem ich ihnen sage, es sei die intelligenteste Zeitschrift, die in deutscher Sprache erscheine, und regelmäßig staune ich über das Ausbleiben jeder Reaktion. Wenn man eine Pizzeria oder einen Kinofilm empfiehlt, zeigen sich die Leute viel interessierter.
Einmal wohnte mein Freund Markus, ein inzwischen leider bei einem Verkehrsunfall gestorbener Lebenskünstler, der sich mit Gelegenheitsjobs über Wasser hielt, in einer Studenten-WG, in der auf einer Party ein Gast im Bad eines der konkret-Hefte von Markus fand; er kam raus und rief empört, wer hier rechtsextreme Zeitschriften lese. Markus hatte Mühe, dem angehenden Akademiker beizubringen, um was es sich bei konkret tatsächlich handelt. Die Texte sind auch für Leute mit formell hohem Bildungsgrad im ersten Moment oft verstörend und rätselhaft; heute können Leute mit Abitur oft anspruchsvolle Texte kaum lesen und begreifen und auch nicht recht rechtschreiben. Es ist für mich seit vielen Jahren der Tag der Höhepunkt des Monats, an dem ich die neue Enzyklika des Genossen Herausgeber aus dem Briefk asten ziehe. Ohne Gremlizas Blatt wäre ich vielleicht ein ganz normaler Depp geworden. Danke.
Jörg Gneiting, per E-Mail
Dialektik
Mit 14 strich mir der Deutschlehrer auf dem katholischen Internat den Satz als zu pauschal aus meinem Aufsatz, wir töteten mit unserer Wirtschaftsordnung jeden Tag Menschen. Die Erkenntnis schloss ich aus der Lektüre Ihrer Zeitung. 30 Jahre später wiederholte nun sein oberster Vorgesetzter meinen Satz in seinem Aufsatz.
Bjelka Kröger, Oldenburg
Gebrauchswert
Zu »60 Jahre konkret« kann ich mich nur bedingt äußern: Die Röhl-Jahre habe ich als 1960 Geborener nicht mitbekommen – und im Nachhinein auch nichts verpasst. konkret beginnt für mich mit Hermann L. Gremliza, und zwar auch nicht 1974, sondern 1981. konkret ist für mich das literarische Äquivalent zu Heavy Metal. Black Sabbath, Rainbow oder Iron Maiden hatten in mir die unbestimmte Sehnsucht nach etwas anderem geweckt, und das zu einem Zeitpunkt, als der Zeitgeist vermeintlich »links« war. Dass das nicht stimmte, lehrte mich Wolfgang Pohrt – und konkret mit dem damaligen SPD-Mitglied Gremliza. Und außerdem hörte die sogenannte Linke dermaßen entsetzliche Musik, dass schon aus diesem Grund etwas mit ihr nicht stimmen konnte.
Was macht also der isolierte Revolutionär, der bereits bereute, sich zum Duell Schmidt gegen Strauß überhaupt in der Wahlkabine geäußert zu haben (übrigens zum vorletzten Mal, einmal – kurz danach – profi tieren noch die Grünen von meiner Naivität)? Er studiert für einen Brotberuf, hört weiter Metal und abonniert konkret. Damit haben konkret (und »Titanic«) mir nicht weniger als das Leben gerettet, denn ich hätte es nicht bis ins mittlerweile 57jährige Lebensjahr ertragen, dem allgegenwärtigen Dreck zu trotzen, gäbe es nicht ein paar Menschen, die sich ebenfalls an den immer verheerenderen Verhältnissen abarbeiten. Es ist nämlich eine Sache, die herrschenden Zustände abzulehnen, eine andere Sache ist es, nicht völlig isoliert zu sein, sondern in konkret auf Autoren zu treffen, die ähnlich fühlen und dies auch adäquat auszudrücken vermögen.
Norbert Scholtz, Krefeld
Profitrate
Als erstes herzlichen Glückwunsch, zu Eurem Produkt gegen die Dummheit, den Antikommunismus und den Antisemitismus. Das Nichterscheinen dieser Zeitschrift würde eine unersetzbare Informations- und Reflexionslücke für mich bedeuten.
1949 wurde ich in Westberlin geboren. Im Dezember 1964 wurde ich erstmals politisch aktiv, ich habe Flugblätter gegen den Tschombé-Besuch gedruckt und verteilt. Seit 1966 habe ich unregelmäßig konkret gelesen und kann mich noch an die Kolumnen von Ulrike Meinhof unter der Ägide von »K2R« erinnern. Die Ausgabe vom November 1973 habe ich aufgehoben: »Genscher – Der Agent im Kabinett«, eine treffliche Voraussage für den Wechsel der FDP zur CDU im Jahr 1982. Der Anschluss der DDR 1990, die darauffolgende Deutschtümelei und die wachsende deutsche Dominanz hatten mich 1991 bewogen, konkret dauerhaft zu beziehen. Die »Kriegsausgaben« im Mai und Juni 1999 konnte ich nach der Durchsicht nicht verschenken. Auch die Kommentierung über das Schleifen der rotgrünen Regierung im Sozialbereich. Das Heft mit dem Titel »Lieber reich und gesund als arm und krank« habe ich bis heute. Zu Israel hatte ich zwar nie eine antisemitische Position, aber dank der Informationen und Kommentare der konkret bin ich den Problemen dieses Landes zugewandter geworden.
Ich hoffe, Eure Zeitschrift und ihre Autorinnen und Autoren bleiben allen Leserinnen und Lesern noch lange erhalten!
Burkhard Jacob, Berlin
Wiederholung des Immergleichen
Als ich etwa elf Jahre alt war, beschloss ich in einem kindlichen Einfall, mich für Politik interessieren zu müssen. Schnell war mir klar, dass ich hierfür damit beginnen müsse, Zeitung und Zeitschriften zu lesen. Ich erinnerte mich an dieses ominöse Heft, das mein Papa allmonatlich aus dem Briefkasten zog, unter dessen Titel die Programmatik »Politik & Kultur« ausgegeben wurde. Also schnappte ich mir das Heft und begann, darin zu blättern. Zunächst enttäuscht, dass sich darin so wenige Bilder befanden, begann ich schließlich, gremlizas kolumne zu lesen. Die erste Hälfte biss ich mich durch und brach dann doch frustriert ab, weil ich kein Wort verstanden hatte, und legte mein Vorhaben, nun politikinteressiert zu sein, wieder ad acta.
Fünf Jahre später – in der Zwischenzeit tatsächlich politisiert – stieß ich auf anderem Wege erneut auf konkret, deren Lektüre mir seitdem den Alltag versüßt. Und auch gremlizas kolumne erschließt sich mir mittlerweile und bereitet mir große Freude.
Tobias Kraus, Neustadt/Weinstraße
Klassenkampf
Es muss so Mitte, Ende der Neunziger gewesen sein, da raunte mir ein Schulfreund im Hausflur zu, als ob man es besser nicht so laut sagen sollte: »konkret, das ist doch dieses linksradikale Heft, das dein Vater immer liest!« Linksradikal! Uff, das klang nach einer schweren Anschuldigung, auf die ich so nicht vorbereitet war. Hatte das Heft doch seit jeher zum familiären Inventar gehört und war einmal monatlich durch den Briefkasten geflattert, so dass ich mir der offensichtlichen Gefahr, die davon auszugehen schien, gar nicht bewusst und mir sein bedrohlicher Inhalt keineswegs aufgefallen war. Der tatsächlich besorgte Schulfreund ist, auch 20 Jahre später, ein guter Freund, wenngleich immer bodenständiger Sozialdemokrat geblieben. Den signifikanten Unterschied zwischen ihm und mir in dieser Haltungsfrage verstanden zu haben, habe ich auch konkret zu verdanken.
Doch weiter: Wie das Heft zogen die Jahre ins Haus, und irgendwann, im späteren Jugendalter, fing ich an, mich mit dem Inhalt zu beschäftigen. Für mich oft zunächst kryptisch und schwer zu begreifen, hat es mich dennoch nicht losgelassen und meine Neugier geweckt: Denn der latente Widerspruch und der unbequeme Gegenwind zum Mainstream, die hier herrschen, traf auf mein Interesse, und an den »rauhen Ton« konnte ich mich dementsprechend schnell gewöhnen. Manches schien mir aufgrund seiner Vehemenz, die ich damals mit Polemik verwechselte, gar unglaubwürdig und surreal. Aber diese Art von Kritik an den Verhältnissen begann, mein Denken zu formen und den familiären Diskurs zu fördern.
Die Art von Reflexion, die Präzision im Umgang mit Sprache und die scharfen inhaltlichen Analysen haben mir geholfen und helfen mir regelmäßig dabei, mich in meiner Gegenwart zurechtzufinden. In diesem Sinne ist die Zeitschrift wichtiger monatlicher Kompass, eine Konstante, die aufrüttelt, fordert, konfrontiert, für Ernüchterung sorgt, aber auch Klarheit schafft. Je undurchschaubarer und prekärer die Zeiten werden, umso notwendiger erscheint mir eine Zeitschrift wie konkret. Und daher gratuliere ich herzlich zum 60jährigen Jubiläum. Für das dreistellige wünsche ich mir, dass das Magazin nichts an Biss und Haltung einbüßt, weiterhin kein gutes Haar an den Verhältnissen lässt und dass, wenn in Zukunft (m)ein möglicher Nachwuchs im Hausflur etwas ins Ohr geflüstert bekommt, dieser dann bald weiß, dass die Gefahr nicht von dem Heft, sondern allenfalls von den Sozialdemokraten ausgeht.
Max Gregor Braun, per E-Mail