konkret wird in diesem Monat 60 – wenn man den 1955 gegründeten »Studentenkurier«, der 1957 in konkret umbenannt wurde, nicht rechnet und es nicht hält wie andere Diven, die ihr Alter verjüngend umdatieren, was im Falle des von Gremliza herausgegebenen konkret bedeutete, seine Geburt mit 1974, sein Alter demnach mit 43 anzugeben, womit man die paar Jahre, in denen Röhl und Rühmkorf das Blatt auf den Strich geschickt hatten, weiträumig umführe. Lassen wir also das Fest fallen, wann wir es feiern möchten: hier und jetzt. Es kommt der Wahrheit am nächsten.
Beim ersten Mal tat’s noch weh: Novemberheft 1957
Ein Autor, der vor 24 Jahren Gremliza den »konkret-Mielke« und vor 19 einen Händler mit »proserbischen Scherzartikeln, der glaubt, man müsse nur okay zu den Juden sein, dann dürft man sich jeden Schwachsinn erlauben«, genannt hatte, gratuliert auf seine Weise:
Ja, ich lese konkret, und manchmal lese ich konkret monatelang nicht, aber trotzdem finde ich es in dieser Zeit immer sehr beruhigend, dass es konkret gibt. Warum? Weil die Texte in allen anderen Zeitungen und Zeitschriften inzwischen so klingen, als würden sie im selben Links-Rechts-Labor hergestellt werden, und das merkt man nicht nur daran, dass kein einziger Mainstream-Journalist heute noch eine eigene Sprache oder eigene Ideen hat. Und man erkennt es vor allem am allgegenwärtigen antiisraelischen Tagespogrom, das »Süddeutsche«, der »Freitag« oder das ZDF fast täglich veranstalten – weil Deutsche eben deutsch sind und es seit 1989 immer lieber sind, wozu schon immer ein pseudo-intellektueller, romantischer Antisemitismus unabdingbar gehört hat.
Ja, konkret weiß, dass Linke in Deutschland immer auch rechts sind, und darum will konkret zunächst einmal nicht rechts sein, um auf diese Art vielleicht wirklich links zu sein. Ich weiß nicht, ob das überhaupt geht. Aber wenn es geht, dann wäre ich auch sehr gern links. Danke für 60 prinzipientreue, idealistische Jahre, die nur die Feinde von konkret absichtlich mit Dogmatismus verwechseln. Ich hoffe, es kommen noch mindesten 60 mehr dazu – und ein Deutschland, das nicht mehr so nervt. Maxim Biller
Ein anderer, in dessen Romanen konkret und sein Herausgeber eine Dauernebenrolle spielen, schreibt:
Nachdem mir eine Kommunistin vor mehr als 30 Jahren in 20 Minuten erklärte, was überhaupt los ist, weil ich in ihrem Beisein den traditionellen Werten meiner süddeutschen Heimat bis aufs Kirschwasser abgeschworen hatte (Stadtmusikverein, Fasnacht, CDU), musste ich als jemand, der diese 20-Minuten-Erklärung nie vergessen und seither überall täglich bestätigt gefunden hat, leider rasch lernen, dass die Formel »undogmatisch links« in den allermeisten Fällen nur Code für »antikommunistisch« ist. Die große Ausnahme war und bleibt konkret. Das Heft ist undogmatisch, aber links. Seltene Tierarten soll man schützen und unterstützen, konkret gehört dazu.
Dietmar Dath
Und der Chefredakteur eines weitläufig verwandten Magazins gesteht:
Ich lese konkret, damit ich weiß, womit ich argumentieren kann, wenn es mal wieder Ärger mit einem »Titanic«-Witz gibt. Und natürlich wegen der vielen gut recherchierten True-Crime-Storys.
Tim Wolff, »Titanic«
Das Plakat zum Doppeljubiläum kann beim Verlag bestellt werden. Es kostet fünf Euro (plus Porto):
Während der Produktion dieser Ausgabe ist unser Grafiker krankheitsbedingt zeitweise ausgefallen. Für ihn sind Peter Bisping und Markus Izzo kurzfristig eingesprungen. Bei ihnen möchten wir uns ebenso bedanken wie bei der Westermann Druck GmbH, die uns freundlicherweise eine Verlängerung der Abgabefrist der Druckdaten für dieses Heft eingeräumt hat.
Ein herzlicher Dank geht auch an alle diejenigen, die mit ihren Spenden konkret dabei helfen, die gerichtlich verfügte Rückzahlung des Verlags an die Verwertungsgesellschaft Wort zu leisten.
Fußnote zu Gremlizas Kolumne in diesem Heft: Bevor nun wieder einer meint, der Verfasser imputiere den Landsleuten »einen kleinen Hitler in den Genen«, noch einmal die Antwort, die sich 1990 der Peter Hacks mit solchem Attest einfing: Es geht beim ewigen Nazi nicht um Darwin, sondern um Marx und Freud, nicht um Biologie, sondern um soziokulturell erworbene und tradierte Psychomuster.
Veranstaltung: Am 10. November um 20 Uhr präsentiert Martin Jürgens in Potsdam, Freiland, Friedrich-Engels-Straße 22, seine neuen hieroglyphen. Begleitet wird er von Ernie Rissmann an der Gitarre.