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Nicht qualifiziert

Florian Sendtner über einen unpolitischen Mord

Träte dieser Tage in München der junge Hitler auf und hielte antisemitische Hetzreden wie in den zwanziger Jahren, würde er schärfstens examiniert. Der bayerische Verfassungsschutz wäre sofort zur Stelle, das Landeskriminalamt würde seine Profiler auffahren, und alles würde sich um die Frage drehen: Meint der Mann das ernst? Oder will er nur provozieren? Expertisen würden verfasst, die dem Mann krankhaftes Geltungsbedürfnis aufgrund einer bestehenden Persönlichkeitsstörung nachwiesen. Möglicherweise sei er auch in der Schule gemobbt worden und wolle sich nun an Personen rächen, die ihn an seine Peiniger erinnern. Kurz: Hitler fühlte sich nicht ernst genommen und wäre stockbeleidigt. Zöge er daraufhin indes eine Pistole und schösse zur Beglaubigung seiner Tiraden, nein, nicht wie am Abend des 8. November 1923 in die Decke des Bürgerbräukellers, sondern gezielt auf Leute, die es seines Erachtens nicht geben sollte, schon gar nicht auf deutschem Boden und in seiner geliebten bayerischen Landeshauptstadt, ja, erschösse er mitten in München neun Personen, die seiner Wahnvorstellung vom „arischen Menschen“ nicht entsprächen – so hülfe ihm auch das nichts. Die bayerischen Behörden blieben eisern dabei: Die Tat war nicht politisch motiviert.
Nein, David S. war kein kleiner Hitler. Aber im Rahmen der Möglichkeiten eines 18jährigen Schülers hat er sich redlich bemüht, am 22. Juli 2016 in München-Moosach ein Fanal dafür zu setzen, dass „Deutschland Deutschland bleibt“, wie es die CSU in jenem Sommer propagierte. Neun Erschossene, ausnahmslos aus Einwandererfamilien, demonstrativ am fünften Jahrestag des Massenmords von Oslo und Utøya, Breiviks Konterfei als Profilbild für den eigenen Whatsapp-Account, ein Manifest auf der Festplatte, in dem von „ausländischen Untermenschen“ und „Kakerlaken“ die Rede ist, die er „exekutieren“ werde – allein, die bayerischen Behörden lässt das kalt. Alles nur Angeberei. Bloße Breivik-Schwärmerei, so das LKA in einem Sachstandsbericht, sagt noch gar nichts: „Ob sich dies allein auf die mörderischen Handlungen oder auch auf die politische Einstellung des als rechtsextremistisch und islamfeindlich eingestuften Attentäters bezieht, muss offenbleiben.“
Muss denn immer gleich alles politisch interpretiert werden? Kann man einen Massenmörder nicht einfach nur so verehren und ihm aus purer persönlicher Sympathie nacheifern? Bevor bayerische Behörden einen Attentäter als rechts einstufen, muss sich der schon richtig qualifizieren. Ohne ein ideologisches Hauptwerk mit mindestens 700 Seiten geht da gar nichts, ein eigenhändig angezettelter Weltkrieg wäre wünschenswert.      

Florian Sendtner

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