Michael Schilling über Hamburgs neue Musikkathedrale
»Um diese Musikkathedrale bewundert uns die ganze Welt«, jubelte die örtliche Presse, Präsident Gauck nannte sie »ein Juwel der Kulturnation Deutschland«; er habe ja vom HSV und von St. Pauli gehört, aber: »Jetzt ist Elphi aufgewacht. Freu dich, Hamburg.« Gesagt, getan: Zweitausend Geladene im Alter von sechzig bis achtzig Jahren, Pfeffersäcke und Prominente von Merkel bis Netzer freuten sich wie nicht gescheit darüber, dass statt der kalkulierten 77 Millionen Euro am Ende 780 Millionen aus öffentlichen Kassen in private Taschen gelenkt werden konnten. Und über ein Bauwerk, in dem sie nach des Tages Mühen beim Jagen von Nafris am Abend Erholung in »Elphi« finden, einer richtig deutschen Abkürzung im Geist des Beischlafutensilienkoffers Buko, aber auch von Pegida, Napola und Gestapo.
Musikkathedrale wie Kulturnation sind beides Unterabteilungen der Tourismusindustrie. Seit einem Jahr und die nächsten fünf werden sich Politiker und Medien der Stadt Tag und Nacht dem Fremdenverkehr widmen müssen. Da Hanseaten nichts für Musik übrig haben (die viel kleinere Laieszhalle ist nur selten gefüllt), müssen Freunde musikalischer Events aus aller Welt herangekarrt werden. Ein Fünf-Sterne-Hotel in der Elbphilharmonie hält dem Musikfreund Premium-Zimmer mit Wasserblick ab 220 Euro pro Nacht bereit, Maisonette-Suiten über zwei Etagen mit drei Fensterfronten übereinander ab 1.400 Euro pro Nacht und die »Eigner-Suite« im 19. Stock mit 160 Quadratmetern und privater Sauna von 3.000 Euro aufwärts, dazu ein Wellnessbereich, in dem gegen Aufpreis Barenboim Mozarts Hafenserenade, pardon: Haffner-Serenade spielt.
Michael Schilling