Eine Studie liefert neue Erkenntnisse über Louis-Ferdinand Célines Kollaboration mit den Nazis und seinen Antisemitismus.
Von Stefan Ripplinger
Es wird sich nichts daran ändern, dass die einen Louis-Ferdinand Céline für einen großen Romancier und außerdem einen Antisemiten halten und die anderen, genau umgekehrt, für einen großen Antisemiten und außerdem einen Romancier. Aber letztere werden nicht damit gerechnet haben, dass ihnen eines Tages derart viele Argumente in den Schoß fallen. Annick Duraffour und Pierre-André Taguieff haben in Céline, la race, le juif den Fall auf fast 1.200 Seiten neu aufgerollt. Für den eiligen Leser fassen sie in einem ausführlichen Gespräch mit »Le Monde « ihre Ergebnisse zusammen. Nach ihren Recherchen war der Schriftsteller keineswegs ein einsamer Spinner, sondern in Kollaboration und Besatzung eng eingebunden. Umgang hatte er mit dem deutschen Botschafter, Otto Abetz, und mit SS-Sturmbannführer Karl Bömelburg, einem der Chefs der Gestapo in Frankreich. Mit Hermann Bickler, dem Chef des Sicherheitsdienstes (SD) im Elsass, war er sogar befreundet.
Das muss den verwundern, der Célines antikommunistische und antisemitische Pamphlete gelesen hat. So prägend sie für das späte Romanwerk sind, sind sie doch unzweifelhaft das Werk eines Delirierenden. Die Spitzen der Besatzung fanden nichts dabei, wussten sicher auch die Prominenz des Autors zu schätzen, den ein führender Kollaborateur, Fernand de Brinon, für »den nützlichsten Verteidiger der Annäherung Frankreichs ans nationalsozialistische Deutschland « hielt. So ließen ihn die Deutschen von ihrem »Welt-Dienst«, einem antisemitischen Nachrichtenbüro, unterstützen.
Dass Céline auch etliche Personen denunzierte – die Autoren können zwei Kommunisten und mindestens sechs Juden namhaft machen –, ist weniger erstaunlich, wenn es auch bislang unbekannt war. Denn wie er diese Denunziation betrieb, ist so ganz sein Stil. Etwa lief er von Pontius zu Pilatus, um den leitenden Arzt eines Gesundheitsamtes anzuschwärzen, dessen Posten er selbst gern gehabt hätte (Céline war im bürgerlichen Beruf Arzt). Erst nannte er den Mann einen »jüdischen, nicht eingebürgerten, ausländischen Mediziner«, dann, nachdem er mehr über ihn in Erfahrung gebracht hatte, einen »haitianischen Neger, der normalerweise nach Haiti abgeschoben werden müsste«. Da haben die deutschen Abschiebepolitiker ihren Meister gefunden.
Stefan Ripplinger