Hermann L. Gremliza über das »Genie von Bergedorf«, Kurt A. Körber, und seine Apologeten
In Bergedorf, einem östlichen Stadtteil von Hamburg, erinnert eine Kurt-A.-Körber-Chaussee an einen örtlichen Unternehmer, der als weltweiter Monopolist mit seinen Maschinen zur Herstellung von Filterzigaretten so viele Millionen verdient hatte, dass er einen kleinen Teil davon steuersparend für die Förderung seines Ansehens durch Beiträge zur Sanierung der Staatsoper, Gesprächskreise und andere Veranstaltungen mit seinem Freund Helmut Schmidt stiften konnte.
Mit dem landestypisch pietätvollen Abstand zum Tod der Täter hat 72 Jahre danach eine Kommission ermittelt, was jeder seit je hätte wissen können: Körber, »vom NS-Regime fasziniert«, war bis 1945 als Prokurist und Geschäftsführer der Firma Universelle für die Beschäftigung von 3.000 Zwangsarbeitern verantwortlich. Praktischerweise stand ein Außenlager des KZ Flossenbürg auf dem Firmengelände.
Was jetzt? Die Lokalpresse, die den Körber stets als »Genie von Bergedorf« und »Kapitalist mit Gemeinsinn« beweihräuchert hatte, gab im Leitartikel unter der Zeile »Wann endet Schuld?« die Richtung vor:
Die jetzige Diskussion wirft wieder einmal die Frage auf, wie wir mit der Last der Vergangenheit umgehen sollen. Müssen wir jeden, der wirtschaftlich verstrickt war in die NS-Machenschaften (und das waren viele!) zur Unperson erklären? Muss man mit der Selbstgerechtigkeit der Nachgeborenen die Körber-Chaussee umbenennen?
Nach einem der Zwangsarbeiter etwa, deren Qualen Körber seinen Aufstieg verdankte? Da könnte man ja glatt die dem SS-Mann Schleyer gewidmete Halle in Stuttgart nach einem der Attentäter auf Schleyers Chef Heydrich benennen. Die Aufforderung des Leitartikels zum völkischen Tanz blieb jedenfalls nicht unerhört:
Als Herr Körber KZ-Insassen als Arbeitskräfte einsetzte, herrschte Krieg. Ein großer Teil der Arbeiter war an der Front. Es wurde deshalb auf alle verfügbaren Kräfte – Kriegsgefangene und KZ-Insassen – zurückgegriffen. Eine Weigerung, sie einzusetzen, wäre Sabotage der Kriegswirtschaft gewesen und mit dem Tode bestraft worden. Die Beschäftigung von KZ-Insassen durch Herrn Körber muss unter diesen Umständen gesehen werden.
Dr. Eckehard Förster
Kriegsgefangene und Menschen im KZ waren »verfügbar«. Ob, wer nicht über sie hätte verfügen wollen, mit dem Tode bestraft worden wäre, lässt sich nicht sagen, denn kein deutscher Unternehmer hat es versucht. Nächster Volksgenosse:
Mich stört die moralische Selbstgefälligkeit der Ankläger. Sind diejenigen, die jetzt die Ehrung Körbers rückgängig machen wollen, sicher, wie sie sich an seiner Stelle im Dritten Reich verhalten hätten?
Peter Freudenthal
Das ist gewiss ungewiss. Ganz gewiss ist nur, wie sich der Dr. Eckehard Förster, der Peter Freudenthal und die Leitartiklerin des »Hamburger Abendblatts« verhalten hätten und gegebenenfalls verhalten würden.
Hermann L. Gremliza