Peter Kusenberg über den populären Let's-Player Felix Kjellberg
Im vergangenen Jahrhundert galt die digitale Öffentlichkeit als Verheißung der Teilhabe aller am freien Transfer der Ware Information. Entsprechend überschwenglich begrüßte das liberale Publikum das Videoportal Youtube, das 2006 zu einem strategisch wichtigen Teil des Google-Imperiums geriet. Seitdem verdienen Tausende ihren Lebensunterhalt damit, sich auf ihren Youtube-Kanälen zu präsentieren, sei es als Schminktip-Tante, als Zulieferer von Schadenfreude- Filmchen, als Verschwörungstheoretiker oder als Let’s-Player.
Zur letztgenannten Gruppe gehört der 27jährige Schwede Felix Kjellberg, der unter dem Namen PewDiePie auftritt und damit regelmäßig mehr als 50 Millionen Abonnenten und Millionen weiterer Zuschauer zu unterhalten pflegt, was ihm laut »Forbes«-Magazin 2015 rund zwölf Millionen US-Dollar Gewinn eingebracht haben soll. Dabei präsentiert und kommentiert er lediglich auf flapsige Weise Videospiele, was viele Zuschauer derart ergötzt, dass sie davon absehen, die Spiele selbst zu spielen. PewDiePie, ein dünner, dezent tätowierter Jungmann mit quäkiger Stimme, wirkt auf die Zielgruppe derart betörend, dass ein Fan ein aufwendiges Hommagevideo namens »Was wäre, wenn PewDiePie ›Splatoon‹ spielte?« bei Youtube inszenierte, in dem er Spielszenen aus dem Onlineshooter »Splatoon« mit passenden Kommentaren des Idols synchronisierte.
Kjellberg wiederum stellte im Januar 2017 auf seinem Kanal die Website Fiverr vor, wo sich vom Ennui geplagte Mitmenschen für fünf Dollar ein personalisiertes Video kaufen, in dem etwa ein als Jesus verkleideter Typ vorgegebene Texte spricht oder, wie im Falle Kjellbergs, zwei tanzende Vollidioten ein Schild schwenken, auf dem steht: »Death to all jews«. Während er das dezent »israelkritische « Video präsentierte, erkannte Kjellberg seinen Fauxpas und schwieg ein Weilchen, was selten genug vorkommt. Es folgten Beteuerungen, er sei kein Antisemit, die Kündigung der Verträge seitens seiner Sponsoren Disney und Youtube sowie eine Internetdebatte darüber, ob PewDiePie ein Judenhasser sei oder bloß zu faul, um eingesandte Videos vor der Ausstrahlung zu prüfen.
Statt dieses selbstgenügsamen Geplappers wünschte ich mir, nur einer jener populären Let’s-Player ergriffe die Chance für dezente Aufklärung; und sei’s, dass er die Affirmation des Militärischen in Onlineshootern reflektierte. Auf einen »nicht einmal sehr verborgenen Zweifel an den Segnungen der Kulturindustrie« (Adorno) will ich gar nicht hoffen.
Peter Kusenberg