Die neue US-Regierung bremst Bildung und Wissenschaft.
Von Svenna Triebler
Vom Karikaturisten Ol stammt die schon etwas ältere Zeichnung eines frühen Hassbürgers, der mit den Worten »Scheißgrüne, euch zeig ich’s!« eine Flasche Rohrreiniger ins Klo kippt. Ungefähr so muss man sich den Kurs der neuen US-Regierung in der Umwelt- und Wissenschaftspolitik vorstellen. Das offensichtlichste Beispiel ist die Klimafrage, die sich für die Freunde der alternativen Fakten bekanntlich gar nicht stellt. Folgerichtig wird die US-Umweltbehörde Epa seit Februar von Scott Pruitt geleitet, der beste Beziehungen zur Öl- und Gasindustrie pflegt und nach dessen Ansicht Kohlendioxid keine Rolle bei der Erderwärmung spielt. Bereits Ende Januar, wenige Tage nach der Amtseinführung des Präsidenten, erhielten die Regionalbüros der Behörde die Anweisung, der Epa-Zentrale alle geplanten externen Veranstaltungen und Präsentationen ihrer Mitarbeiter zu melden und zu erklären, ob es dabei um kontroverse Themen gehe – ob sich das speziell auf den Klimawandel bezieht oder beispielsweise auch die Erwähnung der Evolutionslehre als
»kontrovers« gilt, geht aus dem Schreiben nicht hervor.
Die Nachrichtenagentur AP berichtete zudem von einem Maulkorberlass, der es den Epa-Mitarbeitern verbietet, Informationen an die Presse weiterzugeben oder in den sozialen Medien zu veröffentlichen, Gleiches gilt für die Angestellten des Landwirtschaftsministeriums. Und nachdem das Social-Media-Team der Nationalparkverwaltung es gewagt hatte, einen Tweet weiterzuverbreiten, der die Menschenmengen der jüngsten Präsidentschafts- Inaugurationsfeier mit denen bei Obamas Amtseinführung 2009 verglich, verbot das Innenministerium (in den USA nicht zuständig für Polizei etc., sondern für das reichlich vorhandene Land im Bundesbesitz) auch den Nationalparks vorübergehend das Twittern. Beim Badlands Nationalpark in South Dakota hielt sich allerdings irgend jemand nicht daran und postete eine Reihe von Informationen über CO2-Anstieg und Meeresversauerung – die kurz darauf wieder gelöscht wurden.
Umso mitteilsamer sind die zahlreichen Guerilla-Accounts, die daraufhin unter Namen wie »BadHombreLands NPS« oder »Alt- USNatParkService« auf Twitter auftauchten und die keinen Hehl aus ihrer Meinung über den neuen Bewohner des Weißen Hauses machen. Die Gegenbewegung wuchs schnell über den Kreis der Nationalparks hinaus, so ist beispielsweise die US-Raumfahrtbehörde, der die Regierung das Geld für die Erdbeobachtung streichen will, mit dem Account »Rogue Nasa« vertreten; und sie will sich auch nicht darauf beschränken, der Postfaktisierung der Politik online etwas entgegenzusetzen: Am 22. April, der sich als »Tag der Erde« als Termin anbot, fand in Washington eine Großdemonstration statt, deren Motto »March for Science« deutlich machte, dass es bei weitem nicht nur um die Klimapolitik geht.
So wurden bereits einen Tag vor der Amtseinführung des Präsidenten Pläne der Regierung bekannt, den nationalen Förderfonds für die Geisteswissenschaften aufzulösen, aus dem zuletzt 148 Millionen Dollar für Forschungsprojekte geflossen sind. Auch für den allgemeinen Bildungsstand ist nichts Gutes zu erwarten; Bildungsministerin Betsy DeVos hält nicht nur erklärtermaßen nichts vom öffentlichen Schulsystem, sondern unterstützt mit ihrem beträchtlichen Privatvermögen auch Gruppierungen, die sich für die Lehre des »intelligent design« – die pseudowissenschaftliche Umschreibung für Kreationismus – einsetzen.
Vom christlichen Fundamentalismus sehen auch Stammzellenforscher ihre Arbeit bedroht:
Seit einem Gerichtsurteil zugunsten der Obama-Regierung im Jahr 2011 können Versuche an embryonalen Stammzellen mit staatlichen Mitteln gefördert werden, damit dürfte nun bald wieder Schluss sein. Und während Erdaufheizungsprogramme wie die Aufkündigung des Clean Power Plan der Vorgängerregierung die öffentliche Aufmerksamkeit auf sich ziehen, bringt der neue Kurs in der Umweltpolitik auch die Absenkung zahlreicher anderer Standards mit sich – mit Konsequenzen wie der, auf die eine Forscherin unter dem Twitternamen @sciencegurlz0 hinwies, deren Labor sich mit Wasserproben befasst: »Mir ist gerade klargeworden, dass 100 Prozent der Epa-finanzierten Wasserqualitätstests für Strände gestrichen werden sollen. Hoffe, ihr schwimmt gerne in Kaka.«
All das sind gute Argumente für einen Aufstand der Wissenschaft, für den sich dennoch nicht alle restlos begeistern können. Manche fürchten, derlei werde die gesellschaftlichen Gräben nur vertiefen, andere sehen die Wertneutralität der Wissenschaft gefährdet. Auch die Organisatoren des »March for Science« bemühen sich zu betonen, es handele sich »nicht um einen politischen Protest« – unter den Zielen der Demonstration findet man dennoch Forderungen wie die nach staatlicher Finanzierung oder der Förderung von unterrepräsentierten gesellschaftlichen Gruppen in der Wissenschaft. Überhaupt ist es dem akademischen Betrieb kaum möglich, unpolitisch zu sein, sei es, weil Maßnahmen wie Einreiseverbote auch Forscher und Studierende treffen, sei es, weil sich letztlich jeder, der sich der zum Regierungsprogramm erhobenen Irrationalität entgegenstellt, automatisch in der Opposition befindet.
Ein wachsendes politisches Bewusstsein ist ohnehin nicht das Schlechteste, was der Wissenschaft passieren kann; insbesondere in Naturwissenschaft und Technik täte etwa ein bisschen Selbstreflexion über die in diesen Kreisen noch immer weitverbreitete Mackerkultur ganz gut, vom als selbstverständlich wahrgenommenen Männerüberschuss etwa in den Ingenieurswissenschaften bis zum oft unverhohlenen Sexismus in der IT-Branche. Dazu passt ganz gut, dass die beliebtesten Große-Jungs-Spielzeuge es auch dem Obermacker in Washington angetan haben: Das Klima beobachten soll die Nasa zwar nicht mehr, weiterhin ins All fliegen aber schon. Ein Projekt zur Mondumrundung könnte sich sogar beschleunigen; offenbar auf Drängen aus dem Weißen Haus wird geprüft, ob ein eigentlich unbemannt geplanter Testflug nicht doch mit Astronauten an Bord stattfinden kann.
Einen ähnlichen Plan verfolgt der umtriebige Technikmilliardär Elon Musk, der sich dem neuen Präsidenten denn auch gleich als Berater andiente, wohl in der nicht unberechtigten Hoffnung, hier ein offenes Ohr für sein von Raumfahrtexperten als größenwahnsinnig angesehenes Vorhaben zu finden, bereits 2018 (!) zwei Privatpassagiere mit einem bisher noch nicht einmal getesteten Typ seiner SpaceX-Raketen auf einen Trip um den Mond zu schicken. Die Namen seiner zahlenden Kunden hat Musk bisher nicht verraten, deshalb sei ein wenig hoffnungsvolle Spekulation erlaubt, wer der eine davon sein könnte: Immerhin gibt es da einen gewissen Megalomanen mit mehr Geld als Verstand, dem durchaus zuzutrauen wäre, dass er sich eine solche Idee in den Kopf setzen lässt, und den zudem nicht nur mindestens die Hälfte seiner Landsleute, sondern dem Vernehmen nach auch etliche seiner eigenen Mitarbeiter nur zu gerne in einer unzuverlässigen Rakete zum Mond schießen würden.
Svenna Triebler schrieb in konkret 2/17 über die Geistesblitze eines Agrarministers