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Aufstand im Paradies

Svenna Triebler über Arbeitskämpfe in der IT-Industrie

Die IT-Industrie galt lange als Beweis dafür, wie toll der Kapitalismus funktionieren kann, wenn man ihm nur seinen naturgegebenen Lauf lässt: Computernerds, die es vom Garagenbastler zum Milliardär gebracht haben, schufen eine Unternehmenskultur, in der Hippie-Lässigkeit mit Markt- und Technikoptimismus fusionierte, und die Mitarbeiter können sich nichts Schöneres vorstellen, als sich für eine der hippen Firmen mit Kickertisch und Riesenrutsche aufzuopfern. Work hard, play hard.

Im vergangenen November trugen allerdings mehr als 20.000 Beschäftigte weltweit erstmals ihren Unmut auf die Straße. Anlass war der Umgang des Suchmaschinenkonzerns mit Sexismus und sexuellen Übergriffen. Zuvor war bekanntgeworden, dass das Unternehmen entsprechende Fälle in der Führungsetage vertuscht hatte; dem Android-Entwickler Andy Rubin sollen trotz eines intern als glaubwürdig eingestuften Vergewaltigungsvorwurfs laut »New York Times« sogar noch 90 Millionen US-Dollar gezahlt worden sein, als er Google 2014 verließ. Viele Protestierende dürften noch das Pamphlet im Gedächtnis gehabt haben, das ein Mitarbeiter 2017 über das betriebliche Intranet verschickt hatte: Darin befand er, Frauen seien biologisch nicht für IT und Technik geeignet. Der Mann wurde zwar entlassen; nicht so allerdings die zahlreichen Kollegen, die das Dokument begeistert weiterverbreitet hatten.

Nicht mehr für Google arbeiten übrigens auch Meredith Whittaker und drei weitere Organisatorinnen der Arbeitsniederlegungen; die Expertin für KI-Ethik war zuvor bereits von ihren Aufgaben entbunden worden und erklärte schließlich im Juli ihren Weggang mit den Worten, Google sei kein Ort, an dem sie ihre Arbeit fortsetzen könne.

Der Betriebsfrieden ist damit keineswegs wiederhergestellt. Längst geht es den Beschäftigten nicht mehr nur um Sexismus; auch das Zweiklassensystem von festangestellten »Googlern« versus Zeitarbeitern und Freiberuflern – die mehr als 50 Prozent der Arbeitskräfte bei Google stellen – ist in die Kritik geraten. Im August stimmten rund zwei Drittel der über die Zeitarbeitsfirma HCL in der Google-Niederlassung in Pittsburgh Beschäftigten für etwas in der Branche nahezu Undenkbares: sich gewerkschaftlich zu organisieren. Wenn Google damit ähnlich umgeht wie mit den Protesten vom vergangenen Jahr, dürfen die Verantwortlichen das Unternehmen hoffentlich über die tolle Riesenrutsche verlassen.

Svenna Triebler

 

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