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Schundsucht

Peter Kusenberg über Erziehung durch Candy Crush und Co.

Das Spiel ist »Auseinandersetzung, und zwar weniger des Kindes mit den Erwachsenen als der Erwachsenen mit ihm. Wer liefert denn zu Anfang dem Kinde sein Spielgerät, wenn nicht sie?«, fragte Walter Benjamin und charakterisiert damit jenes Immer-wieder-tun, jene »Verwandlung der erschütterndsten Erfahrung in Gewohnheit« als »das Wesen des Spielens«. Es sollte daher niemanden erstaunen, wenn die Stiftung Warentest 13 von 14 getestete Mobilspielen als »inakzeptabel« im Hinblick auf deren Verträglichkeit für Kinder kennzeichnet. Zusammen mit dem Kompetenzzentrum Jugendschutz.net ließen die Warentest-Prüfer/innen zehnjährige Kinder die beliebtesten Games-Apps »bis zwölf Jahren« spielen, darunter Angry Birds 2, das Knobelspiel Candy Crush Soda Saga, den Strategiehit Clash of Clans, Pokémon Go sowie die Jump’n’Runs Subway Surfers und Temple Run 2. Einzig Pokémon Go erntete die vergleichsweise schmeichelhafte Zeugnisnote »bedenklich«.

Die Stiftung begründete die Urteile damit, dass alle Spiele, selbst das einzige kostenpflichtige Minecraft, »intransparente« In-App-Kaufangebote enthalten, wodurch Kinder »ganz schnell … Hunderte Euro ausgeben«, indem sie dreistellige Beträge beim Kauf »virtueller Edelsteine verplempern«. Candy Crush drängt die Kinder zum Kauf und stockt beim Spielfortschritt, wenn man »keine Extras kauft«. Gleichfalls bemängelten die Tester die für Kinder unzulänglichen und damit DSGVO-widerrechtlichen Datenschutzerklärungen; häufig werden mehr Nutzerdaten als nötig beim Spielen übertragen. Zudem sahen die Zehnjährigen Werbevideos mit verstörendem Geschnetzel; dank fehlender Jugendschutzfilter fanden die Kinder Online-Nutzer mit Namen wie »Judentöter« sowie Pornoseiten-Links.

Die Stiftung gibt wohlmeinende Ratschläge für den Umgang von Eltern mit dem digitalen Rotz, der beste lautet: »Las-sen Sie Ihr Kind ohne Internetanschluss spielen. Offline lässt sich in der App kein Geld ausgeben, Chatten mit Fremden funktioniert nicht, es werden keine persönlichen Daten abgesaugt.« Nutzen wird der Appell an die Vernunft wenig, denn selbst Games-Hersteller Nintendo produziert mittlerweile Mobilspiele mit In-App-Käufen, während andere Hersteller zunehmend auf Netflix-förmiges Spiele-Streaming setzen: Xbox Game Pass, EA Access, PlayStation Now und Google Stadia vereinnahmen die Spieler mit ihren pauschalen Online-Angeboten und ersetzen das Dasein durchs hyperkonsumistische Online-Sein, womit sich bereits die Smartphone-Wisch-Eltern hervorragend arrangiert haben. 

Peter Kusenberg

 

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