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Damen im Depot

Geraldine Spiekermann über die Ausstellung »Kampf um Sichtbarkeit. Künstlerinnen der Nationalgalerie vor 1919«

1908 bescheinigt der Kunstkritiker Karl Scheffler der »weiblichen Natur«, unfruchtbar im Geist zu sein. Er beruft sich auf Goethe, der den »Weibern« keine Idee zutraut. Handele die Frau künstlerisch, sei sie allein zur Imitation fähig, oder sie degeneriere zu einem freudlosen, männischen und verbitterten Wesen. Sich in diesem geistigen Klima als Künstlerin zu behaupten, ist eine enorme Herausforderung, sich den Weg in die Museen freizukämpfen, eine Herkulesaufgabe. Bis heute.

Die 1985 gegründete Aktivistinnengruppe Guerrilla Girls prangert unermüdlich die Ungleichbehandlung von weiblichen und nichtweißen Künstler*innen im weltweiten Kunstsystem an. 2007 macht sie in der »Washington Post« mit Porträts von Künstlerinnen hinter Gittern darauf aufmerksam, dass deren Werke in den Depots verschlossen gehalten werden. Sie erreicht prompt, dass die National Gallery wenigstens eine Skulptur eines afroamerikanischen Künstlers ausstellt. 2013 fordert die Gruppe auf einem Plakat unmissverständlich: »Free the Women Artists of Europe!«

Ob die Alte Nationalgalerie in Berlin diesem Aufruf folgt, ist nicht bekannt. Doch zeigt sie nun, anlässlich der Zulassung von Frauen an der Berliner Kunstakademie vor genau 100 Jahren, insgesamt 60 Werke von 33 Malerinnen und zehn Bildhauerinnen. »Kampf um Sichtbarkeit. Künstlerinnen der Nationalgalerie vor 1919« heißt die Sonderausstellung, die noch bis zum 8. März 2020 läuft (Katalog: Reimer-Verlag, 224 Seiten, 29,90 Euro / 24,90 Euro im Museum). Werke von Linda Kögel und Paula Monjé, zwei erfolgreiche Vertreterinnen der akademischen Tradition, sind neben Porträts der Salonmalerin Vilma Parlaghy zu sehen, ebenso wie eine Abstraktion von Gabriele Münter und Natalija Gončarova. Bronzen der Bildhauerin Renée Sintenis werden Porträtbüsten von Tina Haim-Wentscher und Elisabet Ney gegenübergestellt. Viele der zu ihrer Zeit prämierten Werke lagerten jahrzehntelang in den Depots, und ein großer Teil wurde noch nie auf der Museumsinsel präsentiert. Die Qualität der jetzt ans Licht geholten Werke macht deutlich, dass eine Sonderausstellung nicht ausreicht und den Künstlerinnen ein Platz in der ständigen Sammlung zusteht. Ab sofort.                      

Geraldine Spiekermann

 

 

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