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Michael Schilling über Moral und Rückgrat bei Helmut Schmidt  

Nichts markiert den Grad an Verkommenheit der SPD erdrückender als die Antwort, die eine Armita Kazemi, Mitglied des Hamburger Landesvorstands der Partei, in Springers Stiefelblatt »Welt« auf die selbstgestellte Frage: »Was macht Helmut Schmidt über seine Zeit hinaus zum Vorbild für heutige Politiker? « zum Hundertsten ihres Idols hineingedichtet hat:

Für mich sind es insbesondere seine moralischen Werte. Helmut Schmidt steht für Geradlinigkeit und Rückgrat mit einem moralischen Kompass.

An beides erinnerte am Tag darauf Benjamin Ortmeyer in der »Jüdischen Allgemeinen«. Daran, dass Schmidt 1957 der Hilfsgemeinschaft auf Gegenseitigkeit der ehemaligen Mitglieder der Waffen-SS (Hiag) versichert hat, dass er als einer, der »selbst den Krieg im Osten als Oberleutnant in einer Heeresdivision mitgemacht« habe, »Ihnen, meinen Kameraden von der Waffen-SS«, ja nun nicht erklären müsse, »wenn wir damals in Russland wussten, rechts oder links von uns, oder vor uns, liegt eine Division der Waffen-SS, dann konnten wir ruhig schlafen«.

Oder daran, wie Schmidt sich für die Begnadigung des SS-Manns und Leiters des SD in Rom, Herbert Kappler, einsetzte, der im Oktober 1943 veranlasst hatte, dass mehr als tausend Juden nach Auschwitz deportiert wurden, und der jüdische Geiseln in den Ardeatinischen Höhlen im Süden Roms eigenhändig durch Genickschuss getötet hatte. In einem Brief an den italienischen Ministerpräsidenten schrieb Schmidt 1976, dass die weitere Inhaftierung »auch bei wohlmeinenden Kreisen der deutschen Öffentlichkeit zu starker Beunruhigung führen würde«. Die Kosten der regelmäßigen Flüge seiner Frau von Deutschland nach Italien, um Herbert Kappler zu besuchen, ließ Schmidt mit 21.954 D-Mark für 19 Flugreisen aus der Bundeskasse bezahlen.

Wehrmachtsoffizier Schmidt, der seine Mitwirkung am Hungertod von 900.000 Leningrader Männern, Frauen und Kindern nie bereuen musste, habe sich, schreibt Ortmeyer, auch an die Leichen an den Straßenrändern einer kleinen, 8.000 Einwohner zählenden brennenden Stadt namens Sytschowka « erinnert und zwar so: »Meine Batterie hatte immer wieder Befehl bekommen, mit 2-cm-Flakgeschützen die Dörfer in Brand zu schießen, um feindliche Widerstandsnester an den Dorfrändern auszuräuchern.« Das hielt Helmut Schmidt, wie er selbst berichtet, für seine »soldatische Pflicht«.

Ende 1938, so behauptet Schmidt in seinen Nachkriegsaufzeichnungen, sei er klar gegen den Nationalsozialismus gewesen, »lediglich Hitler persönlich ausgenommen«. Für 1941 formulierte er dann: »Erstmaliger Knacks im persönlichen Vertrauen zum Führer. « Zu Recht, schreibt Ortmeyer, habe Israels Ministerpräsident Menachem Begin Schmidt 1981 vorgeworfen, dass er den Fahneneid auf Hitler nie gebrochen habe.

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