Bernhard Torsch über den Umgang mit jugendlichen Aktivistinnen
Ob Emma González, die den Massenmord an ihrer Schule in Parkland, Florida, überlebte und zur Anti-Schusswaffen- Aktivistin wurde, oder Greta Thunberg, die 16jährige Schwedin, die gerne den anthropogenen Klimawandel aufhalten würde – junge Frauen mit starken Meinungen provozieren Abwehrreaktionen vornehmlich männlicher Greise aller Altersstufen. Es sei denn, die Meinung dieser Mädchen stimmt zufällig mit der eigenen überein, dann werden die Greise lüstern. Wenig überraschend ist das kein transideologisches Phänomen, sondern zu 95 Prozent eines älterer rechter Männer, die Lou Reed einst treffend als »old men scared of young tit and dick« verhöhnt hat.
Die Kastrationsangst, die aus fast jedem Versuch spricht, engagierte junge Frauen lächerlich zu machen, ihnen, wie im Falle Thunberg besonders oft, den Verstand absprechen zu wollen oder sie zu einer Gefahr zu erklären, rührt aus den realen oder befürchteten Konsequenzen, die es hätte, hätten diese Frauen Macht, die über das Vorkommen in Talkshows hinausreichte. Ginge es nach González, würde der amerikanische Mann der wichtigsten Insignien seines Verständnisses von Männlichkeit verlustig gehen. Würde die Welt tatsächlich auf Thunberg hören, könnten Männer wie Jan Fleischhauer oder Ulf Poschardt ihre PS-Monster nur traurig in der Garage abstauben, denn anderen Menschen die Atemluft und Kindern eine überlebbare Zukunft rauben, dürften sie nicht mehr.
Nun gibt es auch Linke, die die ambivalente Militanz von González und die protestantische Sturheit von Thunberg ein bisschen affektiert finden. Man fühlt sich an die schlechten Gedichte und noch schlechteren Lieder erinnert, die man gesungen oder gar geschrieben hat, als man selber 16 war. Vielleicht auch daran, ansonsten nicht viel getan zu haben und vor der letzten Konsequenz, das kaputtzumachen, was Mensch und Natur kaputtmacht, zurückgeschreckt zu sein.
Größtenteils blieben das aber private und innere Regungen. 16jährige zu verspotten und, wie im Falle Thunbergs, per Ferndiagnose entmündigen zu wollen, ist das Ding der Rechten und einiger Liberaler, die publizistisch ausrücken, das »Recht« auf den Privatbesitz automatischer Waffen ebenso zu verteidigen wie eine auf ewiges Wachstum ausgerichtete Wirtschaftsform in einer Welt mit begrenzten Ressourcen. Die besondere Niedertracht in der Wortwahl, die bis zu subtilen Vernichtungsdrohungen reichte, liegt gerade im Falle Thunbergs an der Schwere ihres Vergehens, nämlich der Leistungsgesellschaft mit Leistungs- und der Konsumgesellschaft mit Konsumverweigerung zu drohen.
Bernhard Torsch