Marit Hofmann über den Dokumentarfilm »Kleine Germanen« und braune Zwangsfamilien.
Wie dreht man einen Dokumentarfilm über Kinder von Nazis, wenn man keinen der rechten Stammhalter und Garanten für den Erhalt des deutschen Volkes zeigen darf? Und auch die wenigen Erwachsenen, die es geschafft haben, sich von ihrer braunen Zwangsfamilie zu lösen, nicht vor die Kamera wollen? »Kleine Germanen« (ab 9. Mai im Kino) merkt man diese Schwierigkeit durchgängig an. Zu Bildern von irgendwelchen blonden Kindern und wenigen verwackelten Archivaufnahmen völkischer Ferienlager aus sicherer Entfernung hört man die Stimmen von (zu) vielen »Experten« aus den Bereichen Erziehungswissenschaft und Rechtsextremismusforschung (darunter der Kriminalist Bernd Wagner von der Hilfsorganisation für rechte Aussteiger Exit Deutschland, der auch Linksextreme bekehren will). Sie berichten allgemein von den Tarnstrategien, biologistischen Erziehungs- und Abhärtungspraktiken der Nazi-Eltern. Ein erwachsener Aussteiger äußert sich ebenfalls eher vage.
Umso lieber präsentiert sich die braune Bildungselite selbst: Die Eheleute Götz Kubitschek und Ellen Kositza, Austrias identitäres Idol Martin Sellner und die bayerische Ex-NPD-Frontfrau und Mutter Sigrid Schüßler, die wie ihr Vater wegen Volksverhetzung vor Gericht stand, plaudern von ihrer eigenen glücklichen Kindheit und den Werten, die sie dem Nachwuchs mitgeben wollen. Die Filmemacher Mohammad Farokhmanesh und Frank Geiger brechen die allzu harmonische Wohnzimmersituation mit Hetzreden, die die sich leutselig gebenden Interviewpartner auf Pegida-Demos und ähnlichen Gruselevents halten.
Vor allem hält der überfrachtete Film mit einer auf einem wahren Fall basierenden, etwas plakativ erzählten Geschichte als Kernstück dagegen: Animierte Bilder machen anschaulich, was eine vom SS-Opa indoktrinierte, gedrillte und geradezu abgerichtete Frau, die heute mit neuer Identität lebt, den Filmemachern berichtete. Erst, als ihr zweites Kind zum Unmut des Vaters behindert zur Welt kam, begann sie zu zweifeln und flüchtete mit Hilfe des Verfassungsschutzes aus ihrer Nazi-Landkommune. Ihre Tochter überlebte das nicht.
Götz Kubitschek ist unbesorgt: Von seinen sieben Kindern laufe keines Gefahr, »bei der Antifa zu landen«.
Marit Hofmann