In einem sächsischen Verlag, den keiner kennt, obwohl er behauptet, jährlich 500 Titel herauszubringen, hat ein Autor, den auch keiner kennt - er heißt Jürgen Vonrüden - eine Schwarte von 496 Seiten veröffentlicht. Ihr Titel Römer, Christen und Barbaren. Völker und Kulturen der römischen Kaiserzeit läßt nicht ahnen, daß sie in einer dreißig Seiten langen Abrechnung des Autors mit KONKRET, "der Haus-Postille des vormaligen (?) Weltrevolutionärs" und ihres Herausgebers kulminiert. KONKRET sei die "linke Sektion der Jesus-People", das "Zentralorgan mitteleuropäischer Fundamental-Theologen", ein "hanseatisches Exorzistenkollektiv", Gremliza wahlweise "Beichtvater", "der rächende Engel", "Psalmist", "atheistischer Bußprediger", "Sankt Gremliza" der "Büßergemeinschaft vom Orden des heiligen Hermann", "unerbittlicher Rächer", "bußfertiger Hermann", der "Schmerzensmann", "Übervater der linken Dogmatik", "der Savonarola von der Waterkant", "der neben Küng und Drewermann führende mitteleuropäische Theologe", "Reichsmarschall i.R.", "Chefideologe", "Großdenker", "Apologet deutscher Erbsünde" und "Kassandra". Wie Kraut und Rüben liegt alles durcheinander im Kopf des Krauts Vonrüden, der doch in dem einen Punkt seines Wehs und Achs nur zu genau weiß, was er sagen will: daß KONKRET ein "judeo-christliches Weltanschauungsblatt" sei und Gremliza ein "Ausleger des mosaischen Gesetzes", ein "unfrommer Alttestamentler" mit "sattsam bekanntem Nationalmasochismus". Die "hausinterne Werteskala" beginne mit "1. Jude (Edelopfer par excellence)": "Nur eine von christlichen Schuldgefühlen schier zerfressenen Redaktion kann in einer einzigen Ausgabe gleich drei Beiträge zum Thema Judenmord unterbringen."
Die antisemitische Schrift wurde mit ausdrücklichem Hinweis auf das KONKRET-Kapitel Publikationen zugesandt, von denen Verlag oder Autor glaubten erwarten zu können, daß ihnen zum Zwecke des KONKRET-Bashings auch der braunste Dreck nicht ungelegen komme. Das hat sich zumindest in dem einen Fall, dem KONKRET die Kenntnis des Buchs und seines Versands dankt, als Irrtum erwiesen.
In der "Taz" beginnt deren Chef des Kulturressorts ein Preislied auf die grüne Partei mit den Sätzen:
Als mir die Zeitschrift KONKRET noch etwas bedeutete, Ende der 1980er, Anfang der 1990er, hatte es sich deren Herausgeber Hermann L. Gremliza zur Gewohnheit gemacht, monatlich das unmittelbar bevorstehende Ableben der Grünen zu verkünden. Auch das der "Taz" - laut Gremliza der "Kinderfaz". Die Diagnose: mangelnder Radikalismus.
Der Zeitpunkt, von dem an KONKRET dem Andreas Fanizadeh nicht mehr soviel bedeutete, läßt sich präzise bestimmen: Herbst 1993. Damals hörte KONKRET auf, Texte von Fanizadeh zu drucken. Der Redaktion war die Arbeit, die man mit ihrer Übertragung in Sprache hatte, zu beschwerlich. An politischen Differenzen kann es, glaubt man, was Fanizadeh von Gremliza weiß, nicht gelegen haben: 1991 schrieb Fanizadeh in KONKRET zum Austritt von Jutta Ditfurth aus der grünen Partei:
Der Auszug der letzten linken Strömung aus den Grünen hat den jahrelangen Streit um die Ausrichtung der Partei beendet. Mit diesem Abschluß ihres Konstitutionsprozesses könnte für die grüne Partei insgesamt schon das Ende nahen. Denn die Grünen sind fortan nur noch die Grünen, eine stinknormale Bonner Banalo-Partei, die das Fehlen einer eigenen sozialen Basis und einer originären inhaltlichen Programmatik nicht länger hinter aufregenden parteiinternen Machtkämpfen verbergen kann.
Im Mai 1993 schrieb Fanizadeh in KONKRET über "Fischer und seine Freunde":
Auch die bundesrepublikanische Rechte weiß, was sie an ihnen hat. Zumindest solange die Entsorgung der deutschen Geschichte noch nicht völlig abgeschlossen ist, können sie dem Establishment den Trottel machen. Später werden sie dann abserviert.
Dafür verlangte Fanizadeh, der damals dem Establishment noch nicht den Trottel machen wollte, 1992 in KONKRET
Ermittlungen wegen Mordes gegen die verantwortlichen Beamten und Behörden,
weil jetzt feststehe, daß die RAF-Gefangenen sich nicht hätten selbst umbringen können. Honorige Standpunke, die es auch dann bleiben, wenn ihr Autor sein Copyright an ihnen heute an Gremliza abtritt und aus der "Taz", der er damals in KONKRET Kumpanei mit Franz Schönhuber unterstellte, auf sie spuckt. Der Satz über Gremlizas "Diagnose" aber wäre, wenn deutsche Richter besser deutsch könnten als leitende Redakteure der Kinder-"FAZ", deren Leser aber heute durchschnittlich zehn Jahre älter sein dürften als die der Frankfurter, eine Gegendarstellung wert: Nie hat Gremliza den Grünen "mangelnden Radikalismus" vorgeworfen, sondern immer nur das krasse Gegenteil: mangelnde Radikalität. Fanizadeh 2010 endet seine Agenda mit den Sätzen:
Alles hat seine Zeit. In Dosenpfand und Windrädern steckt möglicherweise kein Rock'n'Roll, doch Freunde des Sozialismus, die Welt ist widersprüchlicher, als ihr denkt! Du mußt dein Leben ändern und so den Kapitalismus. Oder eben Monat für Monat KONKRET lesen.
Der Verlag dankt. Der neue Werbeslogan, nach dem seit Monaten gesucht wurde, ist gefunden. Nur der dem "Taz"-Redakteur naturgemäße Kommafehler muß noch korrigiert werden.
In der "NJW", der "Neuen Juristischen Wochenschrift", einem Pflichtblatt für Richter und Anwälte, bespricht der grüne Bundestagsabgeordnete Wolfgang Wieland den Film "Die Anwälte":
Natürlich behandelt der Film nicht die Anwälte schlechthin. Die charakterisiert der Schriftsteller Peter O. Chotjewitz in einer Besprechung des Films in KONKRET so: "Sie gehören zu einer sozialen Gruppe, deren Spitzenkräfte sich durch Gewinnstreben, Eitelkeit, Selbstüberschätzung, Opportunismus, Starrsinnigkeit, Unbelehrbarkeit und Charakterlosigkeit auszeichnen, Marke Westerwelle, Schröder, während das Fußvolk des Standes kurz vor Hartz IV dümpelt." Die Redaktion von KONKRET fügt an, daß Peter O. Chotjewitz Wahlverteidiger von Andreas Baader war, wohl um eine alte Erkenntnis zu untermauern: Die schlimmsten Kritiker der Elche waren früher selber welche.
Es ist eine ganz andere Erkenntnis, die KONKRET bei dieser Gelegenheit untermauern kann: daß deutsche Rezensenten selbst bei der Zitierung geflügelter Worte kein Pardon geben und den Wortlaut ihrem eigenen Sprachgefühl zurechtbiegen. Denn natürlich hat F. W. Bernstein nicht schlimmste Kritiker (wie Wieland) bedichtet, sondern schärfste Kritiker, eine Spezies also, die man bei der Partei Die Grünen nicht findet.
Am 4.2. findet im Literaturhaus Hamburg (Schwanenwik 38) eine Lesung zum 75. Geburtstag von Hermann Peter Piwitt statt: 20 Uhr. Am 9.2. spricht und diskutiert Erich Später im Haus der Haus der Gewerkschaften in Ulm (Am Weinhof) über sein Buch Villa Waigner. Hanns Martin Schleyer und die deutsche Vernichtungselite in Prag 1939-45 (konkret texte 50): 20 Uhr. Am 10.2. liest Gunnar Schubert in der B12 in Leipzig (Braustr. 20) aus seinem Buch Die kollektive Unschuld. Wie der Dresden-Schwindel zum nationalen Opfermythos wurde (konkret texte 42): 19 Uhr. Am 16.2. findet der "Tote Salon" von Gerhard Henschel und Richard Kähler im Literaturhaus Hamburg mit Hermann L. Gremliza statt: 20 Uhr. Am 23.2. spricht und diskutiert Alex Feuerherdt im Café Steinbruch in Duisburg-Neudorf (Lotharstr. 318-320) über die "Agenda der ›Israelkritiker‹": 20 Uhr. Am 26.2. hält Stefan Frank einen Vortrag zum Thema "›Es fehlt an Geld, nun gut, so schaff es denn‹ - Geldzauber und die Sehnsucht nach Überfluß": Hamburg, Warburg-Haus (Heilwigstr. 116), 14.30 Uhr.